Ein Leben in extremer Armut und die Hoffnung auf Rettung
Julio ist neun Jahre alt. Er hat große, dunkle Augen, und wenn er lacht – was nicht allzu oft vorkommt – sieht man den traurigen Rest seiner gelbbraunen Zähne.
Julio ist Straßenkind in São Paulo. Seinen Lebensunterhalt verdient er durch kleine Diebstähle. Wenn er Glück hat, findet er einen Platz zum Schlafen unter seiner Lieblingsbrücke. Noch mehr Glück bedeutet, dass ihm der Budenbesitzer an der Ecke abends, wenn er schließt, einen Teller Feijoada schenkt. Das ist ein Bohneneintopf. Doch so viel Glück hat Julio nicht oft.
Julio wird sterben. Er weiß noch nicht wann, aber er weiß, dass er keine Chance hat. Zuerst kommt die Armut, dann der Drogenkonsum, danach die Gewaltkriminalität – und am Ende eine Kugel, jemand, der ihm in den Schädel schießt. Er weiß noch nicht wie, aber er weiß es. Julio kennt niemanden, der diesem Teufelskreis entkommen ist. Am Ende seines verkorksten Lebens wartet grinsend der Tod.
Der Tag, an dem die Polizei Julio aufgreift und in ein Erziehungsheim bringt, wird sein Leben verändern. Denn am Abend dieses Tages wird Julio adoptiert. Er wird noch lange die Frage der Betreuerin in seinem Ohr hören, als sie ihn fragt: „Julio, unten steht ein Ehepaar, das dich gern adoptieren würde. Möchtest du das?“ Ebenso lange wird er daran denken, wie er ängstlich Ja gesagt hat.
Er wird an den Moment denken, als er zum ersten Mal seine neuen Eltern sieht und darauf wartet, dass die Formulare ausgefüllt werden. Dann wird man ihm mitteilen, dass er von nun an Giulio Antonio de Assis heißen wird und Sohn des Barons und der Baronin ist.
Von nun an lebt er in einem Haus mit 32 Zimmern, eigenem Schwimmbad und einer Gartenanlage, die so groß ist, dass er anfangs Angst hat, allein darin spazieren zu gehen. Natürlich hat er sein eigenes Zimmer, bekommt Taschengeld und einen Hund. Innerhalb von 24 Stunden ist sein Leben komplett auf den Kopf gestellt.
Als er nach seinem ersten Bad in einer Badewanne in seinem ersten eigenen Bett einschläft, kann er sein Glück kaum fassen. „Ich bin adoptiert. Ich habe eine Familie.“ Da sind Menschen, die ihn lieben – ihn, den Straßenjungen.
Am nächsten Morgen wird er vom Hausmädchen geweckt, um zum Frühstück zu kommen. Sie hilft ihm, in einen flauschigen Bademantel zu schlüpfen und führt ihn ins Frühstückszimmer an seinen Platz. Plötzlich hat Julio Angst. Er gehört jetzt zur Familie, aber er hat noch nie mit Messer und Gabel gegessen.
Gerade als er darüber nachdenkt, ob man ihn wohl wieder ins Heim zurückbringen würde, spricht ihn sein Vater lächelnd an und sagt: „Tja, Julio, dann wollen wir dir mal zeigen, wie das mit Messer und Gabel funktioniert. Ich weiß, dass du noch viel zu lernen hast, aber hab keine Angst. Wir schaffen das gemeinsam. Du gehörst jetzt zu uns.“
Die Spannung zwischen der Stellung in Christus und dem geistlichen Leben
Giulio ist erfunden, aber Giulio steht für dich und Giulio steht für mich. Julio ist ein Bild für jeden Christen, der in einer Spannung lebt – in der Spannung zwischen dem, was ist, zwischen meinem Sein auf der einen Seite und dem tatsächlichen Zustand meines Lebens.
Deshalb trägt diese Predigt den ungewöhnlich langen Titel: „Die Spannung zwischen der Stellung in Christus und dem aktuellen Zustand meines geistlichen Lebens“ oder auch „Warum Julio lernen muss, mit Messer und Gabel zu essen“.
Heute Morgen hat mich Paul noch auf ein Buch aufmerksam gemacht, das für die Freaks ist, die mehr lesen wollen: „Das normale Christenleben“ von Watchman Nee. Ein Klassiker, wahrscheinlich schon wieder sechzig Jahre alt. Dieses Buch bringt den Punkt, den ich heute beleuchten möchte, viel genauer zum Ausdruck.
Ich möchte drei Punkte vorstellen. Der erste Punkt heißt: Diese Spannung zwischen Stellung und Zustand, also zwischen dem, was ich in Christus bin, und meinem Leben, ist irgendwie hausgemacht. Diese Spannung steckt bereits im ganzen Konzept Gottes von Errettung drin. Das ist mein erster Punkt.
Der zweite Punkt wird sein: Ein klares Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stellung und Zustand, also zwischen Sein und Leben, setzt voraus, dass man darüber nachdenkt. Wir werden merken, dass gerade dieses Thema ein Angriffspunkt für viele Angriffe des Teufels ist, der uns mit unseren Gefühlen aufs Glatteis führen möchte.
Der dritte Punkt: Am Ende werden wir einen tiefen Blick in unsere Stellung werfen, in das, was wir in Christus sind. Ich möchte es mit meinen Worten sagen, um unser Herz aufgehen zu lassen, wenn wir sehen, wie reich wir sind, wie bevorzugt wir sind und wie sicher wir sind.
Ich denke, dass wir das immer wieder brauchen.
Die Spannung zwischen Stellung und Zustand als Teil des Evangeliums
Kommen wir zu unserem ersten Punkt: Die Spannung zwischen Stellung und Zustand, zwischen Sein und Leben, zwischen dem, was ich in Christus bin, und dem, was sich davon im Alltag zeigt. Diese Spannung ist hausgemacht und steckt eigentlich schon im Gottesbild der Errettung, im Evangelium, drin.
Was meine ich damit? Wie funktioniert Errettung? Errettung funktioniert so, dass du dich nicht selbst erretten kannst. Egal, was du machst, egal wie sehr du dich einsetzt, egal wie viel Disziplin du aufwendest oder welche Strapazen du bereit bist zu ertragen – es wird nie reichen.
Letztlich ist das Evangelium die radikale Absage an jede Form von Selbsterlösungsstrategie oder Selbsterlösungsversuch. Es gibt da verschiedene Ansätze: Die einen sagen, man müsse es über gute Werke erreichen, andere setzen eher auf Meditation und Beruhigung. Wieder andere meinen, es gehe über Erziehung, Bildung oder gesellschaftlichen Fortschritt. Wenn ich all diese Möglichkeiten durchgehe und sage: „Nein, das ist es nicht“, dann komme ich ans Evangelium heran.
Und es gibt, denke ich, nicht wenige, die sagen: Das Evangelium, wenn man es so erzählt – Gott möchte dir ewiges Leben schenken –, ist eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Das ist, als würde man über den Markt laufen und jemand sagt: „Ich habe hier den modernsten MP3-Player, und ich schenke ihn dir.“ Und du denkst: „Nee, da ist doch irgendein Haken dabei, irgendwo muss ich unterschreiben.“ Doch die Antwort lautet: „Nein, du bekommst ihn geschenkt, nimm ihn einfach mit. Und wenn du für deine Freundin noch einen haben willst, hier, zwei.“ Das kann nicht sein! So gut kann es nicht sein, dass Gott mir einfach so vergibt. Das kann nicht wahr sein.
Und das ist natürlich auch gar nicht wahr. Natürlich vergibt dir Gott nicht einfach so. Was Gott tut, ist etwas anderes. Er vergibt dem, der zerbricht, also dem, der sich seiner eigenen Unfähigkeit bewusst wird und mit dieser Unfähigkeit zu Gott kommt.
Er vergibt dem, der seine Sünde nicht länger zudeckt. Gott will keine Scheinheiligkeit. Er will, dass wir unsere Sünden bekennen. Natürlich will er auch, dass wir sie lassen, aber zuerst einmal, dass wir sie sehen und sagen: „Ja, so bin ich.“ Dass wir aufhören, uns selbst und anderen etwas vorzumachen.
Und Gott vergibt denen, die ihre ganze Hoffnung alleine auf ihn setzen, die aufhören, sich etwas einzubilden auf das, was sie selbst geschafft haben oder meinen, geschafft zu haben. Die letztlich nur daran interessiert sind, das zu bekommen, was Gott ihnen schenken möchte.
Gott hat ein Herz für Schmuddelkinder. Vor kurzem habe ich ein Buch gelesen, das heißt „Das Evangelium für Schmuddelkinder“. Es hat mir sehr gut gefallen. Wenn jemand so etwas sucht, kann ich es empfehlen.
Das Gleichnis vom Pharisäer und Zolleinnehmer als Beispiel für wahre Gerechtigkeit
Eine Geschichte hier: Können wir mal gemeinsam aufschlagen? Seite 154 im Lukasevangelium, Kapitel 18, macht das deutlich.
Auf Seite 154, Lukas 18, wandte sich Jesus einigen Leuten zu (Vers 9). Diese Leute waren voller Selbstvertrauen und meinten, in Gottes Augen gerecht zu sein. Deshalb hatten sie für die anderen nur Verachtung übrig.
Jesus erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Zwei Männer, ein Pharisäer und ein Zolleinnehmer, gingen zum Gebet in den Tempel.
Der Pharisäer stellte sich hin und betete für sich: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen – all diese Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder wie dieser Zolleinnehmer dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von all meinen Einkünften.“
Der Zolleinnehmer hingegen blieb weit entfernt stehen und wagte nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich an die Brust und sagte: „Gott, sei mir gnädig, ich bin ein Sünder.“
Ich sage euch, dieser Mann wurde von Gott als gerecht angesehen, der andere nicht. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird von Gott erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird von Gott erhöht werden.
Der Zöllner war in den Augen der Gesellschaft damals ein Volksverräter, Abschaum, jemand, mit dem man sich nicht abgab und den man aus der Synagoge hinauswarf.
Er verlässt den Tempel gerechtfertigt. Gerechtfertigt heißt, mit einer intakten Beziehung zu Gott. Seine Sünden sind tatsächlich vergeben.
Und warum? Deshalb, weil er zerbricht, weil er seine Sünde bekennt und weil er ganz auf Gott hofft – und zwar mit seinem ganzen Menschsein.
Da ist kein Trick dabei, das ist keine Laune. Das ist nicht der Versuch, einfach nur ein Ticket für den Himmel abzugreifen, so wie man im Radio, wenn ein bestimmter Song läuft, anruft und vielleicht noch die Robbie-Williams-Tickets bekommt, die schon alle sonst weg sind.
Hier ist jemand, der die Gnade Gottes bekommen möchte und bereit ist, dafür das zu investieren, was Gott sehen möchte: ein zerbrochenes Herz.
Hier ist jemand, der an der Pforte, an dieser schmalen Pforte zum ewigen Leben anklopft und sagt: „Ich möchte rein.“
Die entscheidende Frage, die wir heutzutage selbst geklärt haben müssen und auch jedem stellen sollten, ist: Glaubst du an Jesus von Nazaret? Tust du das, was hier der Zöllner getan hat?
Das Leben Jesu als Angebot der Rettung
Wenn ich mir das Leben Jesu anschaue, stelle ich fest: Das Leben Jesu ist in seiner Gesamtheit ein Angebot – ein Angebot an Verlorene, die Rettung suchen. In Jesus ist einer aus der Ewigkeit in die Zeit hineingekommen, hat am menschlichen Leben Anteil genommen und hat in Wort und Tat einen Gott, den man nicht sehen kann, sichtbar gemacht.
Er hat hier auf dieser Erde gelebt. Inmitten von Sünde hat er seine Heiligkeit bewahrt, ist dann für die Sünden der Welt gestorben, ist begraben worden, ist um seiner Treue und Gerechtigkeit willen wieder auferweckt worden und in den Himmel aufgefahren. Dort hat er den Ehrenplatz eingenommen.
Das kennen wir alles. Aber dieses ganze Leben ist in seiner Gesamtheit das Angebot Gottes für dich. Wenn du sagst, ich glaube an das, was Jesus getan hat – und zwar an den Jesus, wie er in der Bibel verkündet wird – wenn du das für dich annimmst und sagst: Er ist nicht für sich gestorben, sondern für mich, und er hat Recht mit seinem „Du bist ein Sünder“, dann hast du Recht.
Wenn du das annimmst und es eine Lebensrealität wird, erlebst du einen Moment, der nicht stärker und nicht intensiver zum Ausdruck bringen könnte, welchen Kontrast es gibt: auf der einen Seite mein Leben, auf der anderen Seite mein Sein in Christus.
Denn in dem Moment, wo ich mich bekehre, wo ich sage: Ich möchte umkehren zu Gott, da stehe ich mit dem Maximum an Unreinheit und Unheiligkeit vor Gott und sage: Hier, ich nehme ein ganzes Leben voller Schmutz und Dreck, bitteschön, das ist alles, was ich habe.
Ich bin in dem Moment komplett unwürdig, Gott zu begegnen. Und Gott sagt: Wunderschön, in diesem Moment hast du nichts und bist Dreck. Du bist wirklich der Wurm. Aber weil du das erkennst und zugibst, nehme ich dich an als mein Kind. Obwohl du praktisch gesehen der Loser schlechthin bist.
In diesem Moment wasche ich dich rein. In diesem Moment bist du mein Kind. In diesem Moment ist alles, was du an Dreck an dir kleben hast, weg. Ich sehe dich, wie ich meinen geliebten Sohn, den Herrn Jesus selber, sehe.
Im Moment meiner Bekehrung könnten mein tatsächliches Leben und das, was Gott in mir sieht, nicht weiter auseinanderliegen.
Jetzt haben wir uns bekehrt und haben das im Moment der Bekehrung auch akzeptiert. Nun fangen wir an, als Kinder Gottes zu leben. Wir leben hoffentlich ein bisschen richtiger als vorher.
Und was passiert? Wir lassen die Unstimmigkeit, diese Diskrepanz zwischen dem, was ich lebe, und dem, was ich in Christus bin, ein Stückchen aufeinander zu bewegen.
Wir werden hoffentlich weniger sündigen. Wir werden darüber reden. Aber die Spannung, die wir eigentlich spüren müssten am Anfang, geht so ein Stückchen zusammen.
Wir werden diese Spannung nie auflösen. Das heißt: Solange wir hier auf der Erde leben, bis Jesus wiederkommt, wird es immer wieder sein, dass wir sündigen.
Es wird immer wieder so sein, dass mich die Sünde stechen wird und mir zeigt, dass ich im Lebensalltag noch nicht am Ziel angekommen bin. Dass ich das, was Gott in mir sieht und wozu er mich gemacht hat, noch nicht lebe.
Die Diskrepanz zwischen der Rechtfertigung und dem täglichen Leben
Das heißt, meine Errettung beginnt mit dieser unglaublichen Tat Gottes: Er erklärt einen, der dreckig ist, für rein. Man muss sich das einmal vorstellen.
Ihr kennt doch die Ariel-Werbung, in der ein Kind vom Bolzplatz hereinkommt, völlig schmuddelig, mit Ei, Blut, Kakao oder Ähnlichem beschmiert. Die Mutter nimmt das Kind und sagt: „Alles kein Problem, hier ist Ariel“ oder etwas Ähnliches. So tut Gott es in diesem Moment. Er sieht mich wie dieses schmutzige T-Shirt und sagt: „Du bist rein.“ Er erklärt: „Ja, du bist rein.“
Diese Diskrepanz wird unser gesamtes geistliches Leben durchziehen, bis zu dem Moment, in dem der Herr Jesus wiederkommt. Dann wird die Spannung zwischen dem, was ich schon in Christus bin, und dem, was ich noch im Alltag lebe oder sein muss, aufgelöst.
Schon in dem Moment, in dem wir das Evangelium akzeptieren, entsteht diese Spannung.
Die Notwendigkeit des Verstehens und der bewussten Entscheidung
Der zweite Punkt bedeutet, dass ein klares Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stellung und Zustand voraussetzt, dass wir länger darüber nachdenken. Das, was wir hier tun, ist nicht so simpel. Wenn ihr sagt, das ist mir ein bisschen zu theoretisch, verstehe ich das gut. Deshalb auch die lange Geschichte am Anfang. Wenn ihr euch davon nichts merkt, werdet ihr das mit Giulio nicht verstehen.
Gerade dieses Thema ist besonders anfällig dafür, dass wir für wahr halten, was wir fühlen, und nicht, was unser Verstand begriffen hat. Lasst uns dazu 2. Korinther 5,17 lesen (Seite 335) und die Frage beantworten: Wenn Jesus in mein Leben hineingetreten ist, wenn ich mich bekehrt habe, was ist eigentlich neu geworden?
In 2. Korinther 5,17 heißt es: „Wenn daher jemand in Christus ist“, also diese Beziehung zu Jesus hat, gläubig ist, bekehrt ist, „ist er eine neue Schöpfung; was er früher war, ist vergangen, etwas Neues ist entstanden.“ Vielleicht geht es euch wie mir: Man liest das und denkt sich „Hm, und weiter?“ Aber das ist die Antwort darauf, was denn bitteschön neu geworden ist in meinem Leben.
Denn ich bekehre mich, und dann stelle ich fest, eine Sache, die ich auf alle Fälle noch habe, ist mein alter Körper. Der scheint sich nicht geändert zu haben, zumindest im Moment nicht. Mit meinem Körper verbunden sind alte Denkgewohnheiten, vielleicht die eine oder andere Sucht, die man noch hat, oder bestimmte Verhaltensmuster, vielleicht auch Ängste.
Auch ein paar gute Sachen sind damit verbunden. Ja, wir haben auch Tugenden. Wir sind ja nicht nur irgendwie schlecht drauf, wir haben durchaus Dinge, bei denen wir sagen, die können so bleiben, wie sie sind. Das heißt, obwohl das Wort Gottes sagt, alles ist neu, fühle ich mich im Moment meiner Bekehrung noch ziemlich alt.
Jetzt wirst du sagen: „Aber ich habe mich gut gefühlt. Ich habe das Gefühl, dass die Last der Sünde abgefallen ist.“ Und du schmunzelst oder stutzt schon ein bisschen. Manch einer fühlt das bei seiner Bekehrung so, dass er sagt: „Ja, ich habe mich danach leichter gefühlt und besser.“ Aber wenn man ehrlich ist, ist das doch eher die Gefühlsebene.
Es kann sehr leicht passieren, dass man nach zwei, drei, fünf oder zehn Monaten feststellt: „Na ja, jetzt fühle ich es nicht mehr.“ Und was ist denn jetzt mit meiner Bekehrung? Dann stellt man plötzlich fest: Wir sündigen ja noch, ich sündige noch. Manch einer ist dann ein Stück weit von Christen einfach enttäuscht.
Jetzt möchte ich kommen und sagen, was eigentlich Sache ist.
Die Bedeutung von Verstand, Wille und Gefühl im geistlichen Leben
Ich möchte mit einem Punkt beginnen, den man wahrscheinlich in jeder Predigt ansprechen könnte, weil er so wichtig ist, dass man ihn mit einem Satz in jede Predigt einbauen kann. Dieser Punkt lautet: Die Bibel legt sehr viel Wert auf den Verstand beziehungsweise auf das Verstehen.
In geistlichen Fragen ist das Gefühl nur sehr eingeschränkt hilfreich – wirklich. Gefühle sind wechselhaft. Die biblische Reihenfolge ist, dass der Verstand unseren Willen prägt. Und der Wille tut dann, was das Wort Gottes sagt.
Kennt ihr diese kleinen Wackelenten, die Kinder hinter sich herziehen? Das ist so das Gefühl. Das Gefühl wackelt immer hinterher, was ich gerade tue. So funktioniert Gefühl.
Liebet eure Feinde! Wenn du darauf wartest, bis du ein gutes Gefühl deinem Feind gegenüber hast, wird das nicht passieren. Andersherum: Du fängst an, ihn ganz praktisch zu lieben. Und plötzlich stellst du fest, dass er eigentlich gar nicht so schlimm ist.
Er muss ja nicht gleich der böseste Feind sein. Es reicht schon der Arbeitskollege, der dich sonst immer ein bisschen mürrisch anschaut. Wenn du ihm den dritten Kaffee ausgegeben hast, hast du vielleicht ein gutes Gefühl ihm gegenüber.
Verstand, Wille, Gefühl.
Die Gefahr besteht darin, dass wir glauben, was wir fühlen, und nicht, dass wir glauben, was im Wort Gottes steht. Das ist eine große Gefahr. Eine Gefahr, die unser ganzes Leben durcheinanderwirbeln kann – gerade weil unsere Gefühle so empfänglich für alles Mögliche sind.
Moment: Rückenschmerzen und Verspannungen. Wenn ich morgens aufwache und mein Gefühl betrachte, dann denke ich: Ich weiß nicht. Also mein Gefühl sagt, ich möchte jetzt stille Zeit machen und aufstehen. Aber in Wirklichkeit möchte ich eigentlich gar nichts tun. Ich möchte nur, dass diese blöden Schmerzen endlich weggehen. Das will ich. Und für alles andere fühle ich nichts.
Was heißt das jetzt? Kein Gefühl bedeutet keine stille Zeit? Das ist wahrscheinlich nicht der richtige Weg.
Ihr versteht, worauf ich hinaus will: Der Verstand prägt den Willen. Und der Wille tut, was richtig ist. Dann folgt wie die Klapperente das Gefühl irgendwann nach und sagt: Na ja, jetzt werde ich mich dem wohl doch mal anschließen, was die beiden da vorne beschlossen haben.
Giulio als Bild für die Spannung zwischen Stellung und Leben
Denken wir kurz an Giulio. Giulio ist das Kind einer reichen Familie. Wenn wir seine Stellung in der Gesellschaft betrachten, dann ist er der – ja, wir würden sagen – der erbberechtigte Sohn eines Multimillionärs.
Aber jetzt geht es darum, dass er das, was er ist, die Stellung, die er hat, auch wirklich lebt. Es reicht nicht, dass Giulio weiß, wer er ist; er muss es tatsächlich auch leben. Und wenn er damit anfängt, wird es ihm passieren, dass ihm sein Gefühl oft einen Strich durch die Rechnung macht.
Stellen Sie sich einen Giulio vor, wie er morgens aufwacht und beim Öffnen der Augen das Gefühl hat: Das kann nicht wahr sein. Er schaut sich in seinem Zimmer um und sagt: Das muss ein Traum sein. Er zwickt sich immer wieder, um zu prüfen, ob das wirklich so ist.
Oder stellen Sie sich vor, er geht mit seiner Mutter einkaufen und begegnet einem Polizisten. Polizisten waren in seinem Leben im Allgemeinen nicht der Traum. Man wollte ihnen nicht begegnen, man wollte sie nicht sehen. Jetzt sieht er einen. Und was passiert in diesem Moment? Er spürt den Reflex, erst einmal wegzulaufen, bis er dann feststellt: Halt, halt, halt! Immer mit der Ruhe. Hier ist Mama, da ist der Polizist, alles gut. Ich muss gar nicht weglaufen, ich habe ja nichts ausgefressen, es ist alles in Ordnung.
Oder stellen wir uns das Essen vor. Das mit Messer und Gabel hatten wir schon. Natürlich muss er lernen, dass es jeden Tag etwas Neues zu essen gibt. Er kommt an den Tisch und fängt vielleicht aus purer Gewohnheit wieder an, mit den Händen alles in sich hineinzuschaufeln. Bis er merkt, dass das Gespräch ruhig wird, er hochschaut und alle ihn anlächeln und nur noch auf Messer und Gabel zeigen. Er muss das lernen. Das Gefühl, diese alten Verhaltensweisen, wird immer wieder versuchen, durchzubrechen.
Und das Gleiche gilt auch für uns. Gott hat uns zu etwas ganz Neuem gemacht – wie ein Blumentopf. Also: Du bist ein Blumentopf, und Gott hat seinen Samen hineingesteckt – Leben, Potenz, Kraft, Kreativität. Da kann etwas herauskommen.
Jetzt ist es deine oder auch meine Aufgabe, weil Gott Wachstum schenken möchte, weil Gott gießen möchte, weil Gott Licht sein will und Sonne, mich immer wieder so als Blumentopf ins Licht zu stellen. Ich muss es zulassen, dass ich begossen werde, und einfach dafür sorgen, dass das, was an Potenz jetzt durch Gottes Handeln in mir steckt, herauskommt.
Gott gibt mir seinen Heiligen Geist und sein Wort. Er möchte jetzt, dass ich mein Denken auf der Grundlage von Gottes Wort neu präge und verändern lasse. Er möchte, dass ich die Wahrheit, die ich erkenne, nicht nur leben will, sondern wirklich auch lebe. Und dass ich es ganz bewusst erlaube, dass mein Verstand meinen Willen prägt.
Wenn Gefühle kommen, die dem Wort Gottes widersprechen, dann soll ich sagen: Halt! Ich weiß jetzt nicht, wo du herkommst, Gefühl, aber weißt du was? Lass uns Folgendes machen: Du gehst jetzt.
Das ist nicht immer so einfach. Aber man muss wirklich sagen: Halt! Ich lasse nur die Gefühle zu, von denen ich weiß, dass sie wahr sind. Das ist mein Job.
Die neue Schöpfung in Christus und die Veränderung des Lebens
Schlagt mal Römer 5,19 auf. Das ist hier in den kleinen Grünen, Seite 286. Es geht um den Punkt: „Ich muss nachdenken, ich muss verstehen, wer ich bin.“ Da heißt es: „Genauso wie durch den Ungehorsam des einen Menschen alle zu Sündern wurden, so werden durch den Gehorsam des einen alle zu Gerechten.“
Der eine Mensch ist Adam. Durch seinen Ungehorsam werden alle zu Sündern. Der andere ist Jesus. Er schafft die objektiven Voraussetzungen dafür, dass jeder gerechter werden kann, zu einem Gerechten werden kann.
Das heißt: Als ich geboren wurde, war ich ein Sünder. Ich habe nicht nur gesündigt, sondern ich hatte auch die Veranlagung dazu in mir. Vielleicht war ich kein richtig glücklicher Sünder. Ab und zu hat mich mein Gewissen so ein bisschen gezwickt und mir gezeigt, dass das so ganz richtig nicht sein kann. Vielleicht warst du auch ein glücklicherer Sünder, keine Ahnung. Aber jeder hat in seinem Leben seine persönlichen Dreckecken, Bereiche, in die man nicht so genau hingeschaut hat.
Und jetzt öffnet mir der Gehorsam Christi eine Tür. Durch den Gehorsam gibt es eine Chance, ein anderer zu werden, eine Tür zu einer anderen Existenz. Vorher war ich Raupe, jetzt bin ich Schmetterling. Schluss mit Kohlblättern fressen – ich bin etwas anderes. In dem Moment, in dem ich mein Leben mit Gott in Ordnung bringe, ändert sich alles ganz grundlegend.
Ich gehöre jetzt zu Gottes Familie. Wenn ich mein Menschsein betrachte, habe ich noch den alten Körper, das ist richtig. Aber mein Menschsein definiert sich nicht mehr von Adam her, sondern von Christus. Ich gehöre jetzt familiär zur Familie Gottes. Ich bin Schmetterling und nicht mehr Raupe.
Und wenn ich ab und zu noch anfange, an Kohlblättern zu nagen, merke ich erstens, dass mir das gar nicht mehr so schmeckt. Irgendetwas ist faul, es entspricht nicht mehr meiner Natur. Vorher war das normal, jetzt sind wir keine Sünder mehr. Ist das nicht toll?
Ich spreche hier über unsere Stellung, nicht über das, was du lebst, sondern über das, was du bist. Gott sagt: Du bist kein Sünder mehr. Wenn du noch sündigst, tut mir das auch leid. Aber du tust es nicht mehr aus Gewohnheit oder aus der Natur heraus. Vielleicht noch aus Gewohnheit, aber nicht mehr aus der Natur heraus. Du bist ein Gerechter, sagt Gott, jemand, der von Gott gerecht gemacht wurde.
Wenn wir das einmal begriffen haben, dass Gott uns – in der revidierten Elberfelder Übersetzung – in die Stellung von Gerechten versetzt, dich mit deiner ganzen Ungerechtigkeit im Moment deiner Bekehrung annimmt und sagt: „Von heute an bist du gerecht. Punkt.“ Dann müssen wir zwei Dinge lernen.
Das Erste: Du wirst niemals durch ein heiliges Leben gerechter werden können, was deine Stellung betrifft. Egal wie heilig du lebst – dass du gerecht bist, hängt in keinster Weise an dir. Das hat nicht an dir gehangen, als du dich bekehrt hast, und es ist heute kein Stück anders. Du sollst gerecht leben, ich habe nichts dagegen. Aber denke keinen Millimeter oder keine Minute darüber nach, wie toll du bist. Dass du gerecht bist, hängt nicht an deinem Lebensstil, sondern daran, dass Gott dir die Gerechtigkeit Christi zurechnet.
Es hängt, wie es im Text heißt, an dem Gehorsam des Einen. Er war gehorsam, und deswegen bist du ein Gerechter. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn viele neigen dazu, nach dem Motto zu leben: „Okay, ich bin bekehrt, da hat Jesus viel mit zu tun, und jetzt bin ich gläubig. Jetzt muss ich alles selber tun.“ Unsinn! Du wirst niemals ein Gerechter dadurch, dass du gerecht lebst, sondern du bist ein Gerechter.
Der zweite Punkt: Weil Gott mich gerecht gemacht hat und die Macht der Sünde gebrochen hat – allein das wäre drei Predigten oder ein ganzes Wochenende wert, darüber nachzudenken, was das bedeutet – deshalb fordert Gott dich jetzt auf und sagt: „Erinnerst du dich noch an diese Dreckecken? Weißt du, lass uns doch mal reinschauen, wo da alles noch aufzuräumen ist.“
Versteht ihr die Reihenfolge? Gott macht uns gerecht, und jetzt sollen wir unsere Dreckecken aufräumen. Im Bild des Schmetterlings: Aus der Raupe wird ein Schmetterling. Und jetzt sagt man zu dem Schmetterling: „Okay, Freund, jetzt kannst du fliegen lernen.“
„Ich bin noch nie in meinem Leben geflogen.“
„Ja, das weiß ich. Schau mal, du hast ja diese großen Dinger am Rücken. Ja, die falten wir mal auf, lassen sie trocknen und dann machen wir ganz vorsichtige kleine Flatterbewegungen. Und wenn du das ein bisschen übst, kannst du auch fliegen.“
„Schaffe ich nie.“
„Doch, komm, fang einfach mal an.“
Im Alten Testament, ich lese das jetzt einfach mal vor: Sprüche 4,18 heißt es: „Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht; heller und heller erstrahlt es bis zur Tageshöhe.“
Gott vergleicht hier den Gerechten mit der aufgehenden Sonne. Du sagst auch, wenn du morgens draußen bist – ich weiß nicht, wer von euch das manchmal macht –, dass er sieht, wie die Sonne aufgeht. Jetzt muss man ja nicht mehr so früh aufstehen, bald geht es wieder. Du hast dann so einen matten Schimmer und denkst dir: Na ja, noch nicht viel Sonne.
So ist es auch in unserem Leben: Du bekehrst dich und siehst so einen matten Schimmer. Na ja, also viel Gerechtigkeit, praktische Gerechtigkeit, noch nicht. Aber dahinter steckt eine Sonne. Gott hat dich zur Sonne gemacht. Und jetzt geht es darum, dass du aufgehst und dass man das, was du bist – nämlich Sonne – sieht.
Am Anfang ist es nur ein matter Glanz, und du denkst dir, das werde ich nie schaffen. Nach ein paar Jahren sieht man vielleicht schon ein bisschen mehr. Und wenn jemand zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre gläubig ist, wie sagt Volker das so schön: „Fett schwimmt oben.“
Wenn Gott dich zu einem Gerechten gemacht hat, dann wirst du gerecht leben. Es geht nicht anders. Es braucht seine Zeit, aber es wird passieren. Vielleicht nicht ohne Rückschläge, aber was viel wichtiger ist: definitiv auch nicht ohne Erfolge. Die Sonne geht auf.
Das ist das Bild für den Gerechten: Stück für Stück. Das ist der Unterschied. Wir strengen uns nicht an, aus dem Sünder irgendwie etwas Gutes rauszuholen. Wir lassen einfach das, was Gott an Potenzial in uns hineingesteckt hat, sich entwickeln – Stück für Stück. Und wir folgen Gott.
Die Gabe des Auferstehungslebens und die Heiligung
Als ich das so aufgeschrieben habe, dachte ich mir: Wenn das das ganze Evangelium wäre – wenn Gott uns nur vor ihm gerecht gemacht hätte –, dann würde es sich schon lohnen, dafür zu leben. Aber die Wahrheit ist noch eine ganz andere, und ich weiß nicht, ob ihr die Wahrheit fassen könnt. Ich selbst habe sie noch nicht ganz erfasst.
Wer sitzt im Himmel? Jesus. Wer ist Jesus von seiner Natur her? Er ist Gott und Mensch. Jetzt schauen wir uns die menschliche Seite von Jesus an. Was für ein Mensch ist er? Jesus ist der vollkommene, verherrlichte Mensch. Eigentlich ist er Gottmensch, aber ich lasse jetzt mal die göttliche Seite weg, weil die uns als Menschen nicht direkt betrifft. Das ist jetzt nicht mein Thema.
Da ist ein verherrlichter Mensch, der mit einem Auferstehungsleben, das nie wieder sterben wird, auf dem Ehrenplatz Gottes sitzt. Und jetzt sagt Gott Folgendes: Er sagt, wenn du dich bekehrst, dann spreche ich dich nicht nur gerecht, sondern schenke dir das Auferstehungsleben Jesu Christi mit allen Segnungen, die dazugehören. Manches davon ist noch Verheißung, also Zukunft, weil sich manches, solange wir hier auf der Erde leben, nicht realisieren lässt. Das ist klar.
Aber wir bekommen nicht weniger geschenkt, sagt die Schrift, als die Natur Jesu Christi. Ich weiß nicht, ob ihr fassen könnt, was das bedeutet. Wir werden ein paar Punkte nachher noch ansprechen, wenn wir diesen näheren Blick machen. Du bekommst das Auferstehungsleben Jesu Christi in seiner umfassenden Form mit allen Segnungen geschenkt.
Gott hatte es sich vorgenommen, dir so viel zu schenken, dass am Ende der Sohn im Himmel sitzt mit gleichgestalteten Brüdern und Schwestern. Das ist absolut Wahnsinn! Aus der Perspektive der Schöpfung heraus betrachtet, ist das der unschlagbare Hauptgewinn.
Im Moment ist das Einzige, was noch nicht verändert ist, unser Körper. Da warten wir noch auf die Erlösung, auf die Auferstehung. Das wird aber kommen. Und solange das noch der Fall ist – solange auf der einen Seite unser Körper noch nicht verändert ist, wir auf der anderen Seite aber schon diese totale Fülle geschenkt bekommen haben –, stecken wir noch in dieser Spannung, von der wir die ganze Zeit reden.
Hier bin ich mit alten Impulsen, dort das, was Gott sagt, dass ich bin. Und die Bühne ist frei für einen Prozess, den wir Heiligung nennen. Heiligung heißt: Ich weiß, was richtig ist, und ich tue es. Manchmal tue ich es auch nicht. Aber ich will versuchen, immer weniger das Nicht-Tun zuzulassen und diese Spannung ein Stück weit aufzulösen, indem ich als Gerechter gerecht lebe, als Heiliger heilig lebe, als Geliebter liebe – solche Dinge.
Ich will einfach versuchen, das, was Gott in mich hineingelegt hat, in der Kraft des Heiligen Geistes, unter der Leitung des Heiligen Geistes und mit der Bibel in der Hand auszuleben. Ich möchte kämpfen, da wo ich alte sündige Neigungen habe, wo diese Welt, in der ich lebe, mich versucht, wo der Teufel meine Gedankenwelt verdrehen will. Da werde ich einfach mit der Bibel in der Hand kämpfen und sagen: Nein, das möchte ich nicht mehr.
Zum Schluss dieses Punktes möchte ich sagen: Wenn wir nach dem Gefühl leben, werden wir im Glaubensschiffbruch erleiden. Wenn du jemand bist, der nach dem Gefühl lebt, wirst du an dieser Stelle einen Glaubensschiffbruch erleiden. Ich verspreche dir, dass dich jede einzelne Sünde runterzieht. Und immer, wenn dich eine Sünde runterzieht und du niedergeschlagen bist über deinen Alltag, über deinen Lebensalltag, ist das ein Einfallstor für falsche Gedanken.
Vor allem für Gedanken, die mir einreden wollen: Gott liebt mich nicht, ich bin es nicht wert, mit Gott zu leben, aus mir wird ja nie ein richtiger Christ, was soll Gott mit mir schon anfangen – solche Art von Gedanken. Deshalb ist es so wichtig, dass wir verstehen, wer wir sind. Und wenn wir es verstanden haben, sagen wir Halleluja und leben das aus.
Ein tiefer Blick auf unsere Stellung in Christus
Lasst uns abschließend als dritten Punkt einen tiefen Blick auf unsere Stellung in Christus werfen. Ich möchte zeigen, dass wir reich, bevorzugt und sicher sind.
Ich habe mir etwas völlig Verrücktes überlegt. Vielleicht haltet ihr mich wirklich für verrückt, wenn ihr das seht. Ich habe einfach mal meine Top zwanzig zusammengestellt – meine zwanzig wichtigsten Punkte, die mich begeistern. Dabei geht es um die Frage: Wer bin ich? Wie sieht unsere Stellung in Christus aus? Es sind die Dinge, die mir niemand mehr nehmen kann, wenn ich wirklich Buße getan habe. Denn sie hängen nicht an mir, sondern an Jesus.
Noch einmal: Diese Dinge kann mir niemand mehr wegnehmen, weil sie an Jesus hängen. Ich habe sie geschenkt bekommen, weil ich zu Jesus gehöre – nicht, weil ich besonders klug, hübsch, intelligent, diszipliniert oder mutig bin. Nein, diese Dinge gehören Jesus. Und Jesus hat gesagt: „Oh, du gehörst jetzt zu mir, das ist gut, dann schenke ich dir das.“
Nun zu meinen Top 20. Die Reihenfolge ist dabei eher egal. Ich habe sie nicht extra sortiert. Punkt eins und Punkt zwanzig sind, wenn man so will, gleichwertig. Wenn ihr einmal nichts in eurer stillen Zeit zu tun habt, lest das Neue Testament nur mit dem Gedanken: Wer bin ich in Christus?
Falls ihr Probleme habt mit Minderwertigkeitskomplexen und ständig denkt, ihr seid vor Gott nichts wert oder Gott kann mit euch nichts anfangen, dann macht diese Studie. Lest die zwanzig Punkte immer wieder durch. Nehmt sie euch jeden Tag vor und sagt euch: „Boah, das bin ich alles in Gott.“
Ich kannte jeden einzelnen dieser Punkte schon. Ich habe sie am Freitagabend zusammengestellt und dann einfach in meinen Rechner getippt: erstens, zweitens, drittens, viertens. Irgendwann musste ich aufstehen und rausgehen, weil mich das innerlich vor Begeisterung richtig schüttelte. Ich dachte: „Wow, das ist richtig gut!“ Und da war ich noch lange nicht bei zwanzig, sondern vielleicht erst bei Punkt fünfzehn.
Es macht einfach Spaß zu sehen, wer wir in Christus sind. Diese Welt und unser Alltag zielen oft darauf ab, uns immer wieder runterzuziehen, zu entmutigen und uns zu zeigen, was wir nicht schaffen, was wir nicht sind. Sie machen uns bewusst, wie weit der Weg zum Himmel noch ist und wie groß der Unterschied zwischen Jesus und uns ist.
Und jetzt komme ich und sage: Das bist du.
Unsere Identität in Christus: Die Top 20
Erstens: Du bist ein Kind Gottes. Nachzulesen in Johannes 1,12. Im Himmel sitzt ein Vater, der dich liebhat. Du bist ein Sohn Gottes, du bist eine Tochter. Wir gehören zu Gottes Familie. Das kannst du dir nicht erarbeiten. Weißt du das? Du kannst überhaupt nichts tun. Gott sagt: „Ich will dich“ oder „Ich will dich nicht“. Und Gott hat gesagt: „Wer glaubt, den will ich.“ Punkt.
Zweiter Punkt: Wir sind Freunde Jesu. Johannes 15,15. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass wir ein ganz exklusives Verhältnis zu ihm haben – ein intimes, ein persönliches. Er vertraut uns Dinge und Gedanken an, die man nicht mit jedem teilt. An anderer Stelle heißt es sogar, dass wir ein Geist mit Gott sind. Da ist etwas entstanden auf einer Ebene, wo du sagen kannst, das geht viel weiter, als Menschen das normalerweise erwarten würden.
Drittens: Wir sind Erben Gottes und Miterben Christi. Römer 8,17. Diese Erde und das, was du hier hast, ist ein müder Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Ich kann dir nicht genau sagen, was Gott uns schenken wird, okay? Ich schmunzle ja immer über den Koran an der Stelle. Wenn da so die Vorstellungen vom Paradies sind und sie erschöpfen sich irgendwo in Frauengeschichten, gutem Essen und vielleicht faul rumliegen, so in der großen Richtung – vergebt mir, dass es albern klingt –, wenn Gott uns etwas schenkt, wenn Gott sagt: „Ich habe mir da was ausgedacht für dich“, dann können wir sicher sein, dass es weit, weit hinausgeht über das, was du dir heute vorstellen kannst. Du kannst ein bisschen träumen, und ich verspreche dir: Wenn es Realität wird, ist dein Traum noch nicht einmal ein Prozent von dem, was kommt.
Viertens: Ich bin ein Tempel des Heiligen Geistes. Ihr denkt vielleicht: Na sowas Komisches, wer will denn schon im Tempel sein? Ja, für uns klingt das Bild nicht ganz so prickelnd. 1. Korinther 6,19: Wir sind ein Tempel des Heiligen Geistes. Aber lasst es mich mal aus einer anderen Perspektive betrachten: Gott wohnt in dir. Du gehst durch Spandau, stehst in der Innenstadt und sagst: „Hier steht Gott.“ Nicht, du bist Gott, aber du gehst, und mit dir geht Gott mit. Vielleicht sagst du, wir werden ein paar Stellen haben, die man gut benutzen kann, weil du Schwierigkeiten hast, deinen Wert zu verstehen. Du gehst durch die Altstadt und bist die Kontaktfläche zwischen Zeit und Ewigkeit. Denn du bist der Ort, wo man Gott begegnen kann. In dir kann diese Welt Gott sehen, Gott hören, Gott begegnen. Es gibt keinen Tempel in Jerusalem oder sonst irgendwo, wo du hingehen könntest, um Gott zu sehen. Wenn jemand heute Gott begegnen möchte, muss er dir begegnen. Du bist der Tempel Gottes.
Und letztlich, weil die Schrift das auch so sagt, in 1. Korinther 3, wir sind auch als Gemeinschaft Tempel Gottes, Tempel des Heiligen Geistes. Verstehst du, was das für eine Bestimmung ist? Ein Tempel ist etwas Wertvolles, etwas Prunkvolles, wo man Gott angebetet hat, wo man Gott begegnet ist. Und jetzt kommst du und sagst: „Bin ich?“ Du hast dich nicht dazu gemacht, du bist es. Das ist deine Stellung in Christus.
Fünftens: Du bist ein Glied am Leib Christi. 1. Korinther 12,27. Das bist du. Das heißt, du bist nicht nutzlos, du bist begabt, Leute brauchen dich. Wir sind nur als Team unschlagbar. Du wirst gebraucht.
Sechster Punkt: Ich bin mit Gott versöhnt, ich bin sein Botschafter. Stichwort Salz und Licht. Du wirst nicht Salz und du wirst nicht Licht, du bist Salz und Licht. Es ist mein absolutes Vorrecht, an der Verbreitung des Evangeliums Anteil zu haben. Ich habe das Evangelium in die Welt hinauszubringen. Es ist eine Sache, wenn du als Arzt für die Weltgesundheitsorganisation irgendwo Impfstoffe hinbringst und Menschenleben rettest – wunderbare Aufgabe! Ihr habt noch etwas ganz anderes. Ihr habt den einen Impfstoff, der das eine Problem, die eine Krankheit, die alle Menschen befallen hat, lösen kann. Da ist das Evangelium. 2. Korinther 5,18-19. Und bitteschön, dass du Botschafter Christi bist in einer verlorenen Welt. Das ist ein Punkt, den kann keine Sünde, die du jemals begehst, aufheben. Du bleibst das, du bist es.
Siebter Punkt: Ich bin ein Heiliger oder Geheiligter? So, Epheser 1,1 zum Beispiel. Das ist so ein Punkt, wo ich einmal noch – ich werde heute ein bisschen auf diese eine Sache rumhämmern: Du bist kein Geheiligter, weil du so toll bist. Also wenn du toll sein möchtest, dann wirst du das nicht schaffen. Alle praktische Heiligkeit deines Lebens wird dich niemals an den Punkt bringen, dass Gott zu dir sagt: „Du bist heilig.“ Nie, du wirst immer zu kurz greifen, auch als Gläubiger. Aber hier ist wieder der Punkt: Christus ist der Heilige, er hat alles richtig gemacht, und jetzt sagt Gott: „Diese Heiligkeit schenke ich dir. Aber jetzt lauf los und leb heilig!“ Und wir drehen das manchmal um und sagen: „Ach, ich bin kein Heiliger vor Gott, weil ich es nicht geschafft habe.“ Und ich denke mir, warum dieses blöde Denken hier? Ich werde es nie schaffen, definitiv nie. Du bist ein Heiliger, weil du die Heiligkeit Christi geschenkt bekommen hast.
Achter Punkt: So, ich habe hier geschrieben: Nun das Ende aller Minderwertigkeitskomplexe und Versagensängste. Seite 335, Epheser 2,10. Und auch das etwas, was wir in Christus sind. Epheser 2,10: Hört euch das an: In Jesus Christus sind wir Gottes Meisterstück. Er hat uns geschaffen, damit wir gute Werke tun, gute Taten, die er für uns vorbereitet hat, damit wir sie in unserem Leben ausführen. Du bist Gottes Meisterstück. Und Gott hat dich gemacht, um gute Werke zu tun. Bis dahin wäre es ja schon nett. Und jetzt geht es weiter: die Gott vorher vorbereitet hat. Also wenn du sagst: „Ich schaffe das nicht in diesem Leben, Gott will so viel von mir, ich kriege das nie auf die Reihe“, halt, halt, du brauchst gar nichts auf die Reihe zu kriegen. Du musst die guten Werke finden, die Gott vorbereitet hat, und die musst du tun. Mehr nicht. Wenn du Angst hast und sagst: „Ich bin nichts“, du bist Gottes Meisterstück. „Ich schaffe nichts“, du brauchst nichts schaffen, Gott hat vorbereitet, Gott hat gemacht.
Neunter Punkt: Ich bin ein Bürger des Himmels und habe auf der Erde nur noch einen Zweitwohnsitz, zum Beispiel Philipper 3,20. Du gehörst schon nicht mehr hierher. Ist das nicht herrlich? Ich finde das toll, ich finde das wirklich toll, weil es die Perspektive meines Lebens darstellen kann. Leute, die die Perspektive haben, von unten nach oben, die quasi auf der Erde stehen, immer so ein bisschen in den Himmel gucken, aber in Wirklichkeit leben sie auf der Erde, die leben auch so. Aber wir können im Himmel leben. Du kannst sagen: „Ich bin hier nur zu Besuch“, wie ein Fremdling auf der Durchreise. Das geht schnell vorbei, das ist nicht wirklich wichtig. Ob ich hier alles mitnehme, was es gibt – Holger, selbst die guten Rotweine –, ja, es ist noch nicht mal der Punkt. Freu dich, wenn du einen guten Rotwein gerne trinkst, genieße ihn. Aber wenn du ihn nicht hast: Hey, keep cool, der dringt in 50 Jahren aus, vorbei, und dann wird es Rotweine geben. Ja, natürlich, dann bin ich wieder hier oben bei Punkt drei, Erbe Gottes. Ja, natürlich, da werden wir denken, was haben wir damals für Brühe gut gefunden. Zweitwohnsitz, Perspektive. Du lebst schon im Himmel, du gehörst schon nicht mehr hierher, du bist ein Teil des Himmels. Soll ich dir was sagen? Du kannst dir diese Stellung nicht erarbeiten, du kannst sie nur geschenkt bekommen. Und warum hast du sie geschenkt bekommen? Weil Jesus im Himmel sitzt und er sagt: „Du gehörst zu mir.“
Der zehnte Punkt, auch wieder so einer: Ich gehöre zu den Geliebten Gottes, Gott liebt mich. Kolosser 3,12. Und ich weiß, das ist der Punkt, wo in meinem Leben – und wahrscheinlich in eurem Leben auch – der Teufel am häufigsten ansetzt: Du sündigst? Und es kommt der Gedanke hoch: Jetzt kann mich Gott nicht mehr lieben. Jetzt habe ich die Liebe Gottes verloren. Vielleicht hast du so einen Vater gehabt, wo das war, ich weiß es nicht, wo das herkommt, aber es ist oft so, dass Leute an dieser Stelle angefochten werden: „Jürgen, mein Leben, ich habe gesündigt, ich habe das und das falsch gemacht, jetzt kann mich Gott nicht mehr lieben.“ Wenn du dir eine Sache heute merken möchtest: Gott liebt dich nicht, weil du so liebevoll bist. Gott liebt dich nicht, weil du dich bekehrt hast. Gott liebt dich nicht dafür, dass du was richtig oder was falsch machst. Wenn du der Geliebte Gottes bist, dann bist du es überhaupt nicht, weil du irgendetwas tust, sondern es gibt einen Geliebten, und das ist der Messias, das ist der Geliebte Gottes. Und du gehörst zu diesem Geliebten, und deswegen bist du ein Geliebter Gottes. Drehen wir das nie um! Wenn du die Liebe, die der Vater zu dir hat, an irgendetwas in deinem Leben knüpfst, dann gute Nacht, denn dann bleibt nichts über. Aber es stimmt nicht. Gott liebt dich, weil du in Christus die Liebe des Vaters zum Sohn teilst. Es ist die Liebe, die, ich will fast sagen, innertrinitarisch da ist, ja, der Vater liebt den Sohn, und an dieser Liebe bekommst du exklusiv Anteil. Deswegen bist du der Geliebte Gottes.
Elfter Punkt: Noch so ein Nachschlag zum Thema „Ich bin nichts wert“. 1. Petrus 2,9, Seite 430, 1. Petrus 2,9. Und es ist so viel, dass man kaum dazu etwas sagen kann. Da heißt es aber: „Ihr seid ein ausgewähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, das Gott selbst gehört. Er hat euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen, damit ihr verkündigt, wie unübertrefflich er ist.“ Wäre eine eigene Predigt wert, reicht vorzulesen.
Zwölfter Punkt: Wir werden Christus gleich sein. 1. Johannes 3,1-2. Könnt ihr euch das vorstellen? Alles, was Jesus hat, was du an ihm bewunderst, wo du sagst: „Bah, so würde ich gerne sein“, da sagt Gott: „Wunderbar, wunderbar, genau das wollte ich dir schenken.“ Ist das nicht genial? Genau das wollte ich dir schenken. Du willst sein wie Jesus? Kriegst du.
Dreizehnter Punkt: 1. Johannes 5,18, da heißt es, der Teufel darf dich nicht antasten. Interessanter Vers, weil die Frage ist, was bedeutet das? Ich denke, es bedeutet nicht, dass wir nicht Versuchung und Verfolgung erleiden werden – das ist uns verheißen –, aber es bedeutet so viel, dass der Teufel dich nicht angreifen darf in einer Form, dass du aus dem Glauben herausgerissen wirst, dass du deinen Glauben aufgibst, dass du verloren gehst. Das ist definitiv nicht mehr drin. 1. Johannes 5,18.
Vierzehnter Punkt: Ich bin vor Gott gerecht und habe Frieden mit Gott. Römer 5,1. Das müsst ihr zuhause nachlesen, wieder eine Beschreibung von dem, was du bist. Du hast nicht Frieden mit Gott, weil du so nett bist, und du bist nicht gerecht, weil du so gerecht bist, sondern weil du glaubst. Alles nur geschenkt, nicht alles nur geklaut, aber alles nur geschenkt.
Fünfzehnter Punkt: Im Blick auf die Sünde und ihre Macht über mein Leben bin ich mit Christus gestorben und auferstanden. Römer 6,1-6. Das war das, wo ich vorhin meinte: Das ganze Leben Jesu ist das Angebot. Er stirbt der Sünde, er steht auf zu einem neuen Auferstehungsleben und sagt so: „Jetzt nehme ich dich mit. Was möchtest du?“ „Ja, ich möchte das Gleiche.“ „Wunderbar, das machen wir.“ Indem du an mich glaubst, durchläufst du die gesamte Prozedur. Du stirbst mit mir am Kreuz der Sünde, in der Taufe zeigst du das nochmal allen, dass du wirklich gestorben bist, und jetzt bist du im Auferstehungsleben voll dabei.
Und mein Verhältnis zur Sünde: Ich bin nicht mehr Sklave der Sünde, ich bin jetzt ein Diener der Gerechtigkeit. Vielleicht tue ich mir am Anfang schwer, das so richtig auszuleben, weil ich noch nicht genau weiß, wie es funktioniert. Und ich brauche tatsächlich das Wort Gottes, und ich verbrauche ein erneuertes Denken. Aber ich bin schon Diener der Gerechtigkeit. Und selbst wenn du empfindest, manchmal empfindest, dass die Sünde übermächtig ist, dass du sie nicht in den Griff kriegst – fast hätte ich gesagt: Willkommen im Club, weil ich das auch kenne. Selbst dann gilt, dass ich nicht ein Sklave der Sünde bin. Ich mag das im Moment so empfinden, und ich mag im Moment an bestimmten Stellen den Eindruck haben, oder vielleicht nicht nur den Eindruck, sondern auch die Erfahrung machen, ich kriege Sünde nicht unter die Füße. Und vielleicht dauert es ein Weilchen, bis du das schaffst. Und vielleicht wird es so sein, dass du es in diesem Leben nicht schaffst, weil Gott dich einfach in der Abhängigkeit halten will. Denkt an Paulus, der bestimmte Versuchung nie losgeworden ist. Und sei sicher, dass jeder, der immer wieder an einer Stelle versucht wird, auch immer wieder aus statistischen Gründen an der Stelle fällt. Es kann sein, dass Gott Sünde und Versuchung zulässt in deinem Leben, damit du in der Abhängigkeit von ihm bleibst. Aber eines kann nicht sein: dass du wieder zu einem Sklaven der Sünde wirst. Denn das ist vorbei, das ist Vergangenheit. Wir sind mit Christus der Sünde gestorben, sie hat kein Recht mehr. Wir gehören nicht mehr zu dieser alten Linie von Menschen um Adam.
Sechzehnter Punkt: Römer 8,1, das lese ich gerade mal vor: „Es gibt demnach kein Verdammungsurteil mehr für die, die in Christus Jesus sind.“ Oder wie es hier heißt, die mit Jesus Christus eins sind. Das gibt es nicht mehr. Es hängt kein Damoklesschwert, so ein Unsichtbares, über deinem Kopf. Du kommst nicht ins Gericht. Es ist bezahlt.
Siebzehnter Punkt: 2. Korinther 1,21-22. Da steht, dass wir in Jesus ein Fundament haben – wir würden sagen ein Fundament, das nicht wackeln kann –, dass wir den Heiligen Geist haben als Anzahlung und als Sicherheit dafür, dass das, was Gott uns geschenkt hat, auch wirklich eintrifft. Gott gibt uns den Heiligen Geist, wie wenn du zum Autohändler gehst und sagst: „Ich hätte gern das kleine Auto da, 7 Euro, habe ich nicht dabei, sind Sie bereit, eine Anzahlung zu geben?“ „Ich habe hier 500 Euro bar, zahlen Sie an?“ „Ich hebe Ihnen das Ding auf.“ Und Gott sagt: „Ich will euch hier auf der Erde lassen, und ich kann euch den ganzen Segen noch nicht auf einmal geben. Damit müsst ihr noch warten, die Erlösung des Leibes braucht noch Zeit. Aber damit ihr ganz sicher seid, ihr werdet ankommen, hier habt ihr schon mal den Heiligen Geist, damit das hier auf der Erde schon losgeht, als Anzahlung.“
Achtzehnter Punkt: Ich habe freien Zugang zu Gott. Epheser 2,18. Ich darf ihn jederzeit mit meinen Problemen behelligen. Hebräer 4,16. Du bist nie zu unrein und du bist nie zu unwürdig, um mit Gott zu reden. Bitte schön, nicht weil du es bist, nicht weil du in einer bestimmten Weise lebst, sondern weil Gott dich dazu gemacht hat. Du darfst immer. Nehmen wir Giulio: Egal, was Giulio ausfrisst, selbst wenn er nochmal klauen geht, er kann jederzeit sein Handy nehmen, er kennt die private Telefonnummer seines Papstes, und er ruft ihn an und sagt: „Hör her, das und das ist passiert.“ Du darfst das jederzeit tun.
Vorletzter Punkt: Ich habe den Heiligen Geist. Und dazu ist mir ganz viel eingefallen. Der Heilige Geist wird beschrieben als ein Geist der Kraft, als ein Geist der Liebe und der Selbstbeherrschung. Und er möchte in uns seine Frucht hervorbringen: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung – lauter Dinge, wo man sagt: Boah, hätte ich gern mehr davon. Und die gute Nachricht ist: Du wirst es bekommen. Du kannst es nicht mehr vermeiden. Du kannst es vielleicht ein bisschen rausziehen, ja, und du kannst da, ja, im Himmel wirst du alles haben, aber du kannst es hier auf der Erde schon haben. Das Einzige, was du machen musst: Du musst deinen Blumentopf so ins Licht kullern und musst schauen, dass der Wasserstrahl dich trifft und musst einfach warten. Das Wachstum wirkt Gott, du wirkst es nicht. Und Gott will, dass du wächst. Das ist deine Berufung, das ist deine Stellung in Gott.
Und der letzte Punkt: Philipper 1,6, Seite 362, so ein ganz kleiner unscheinbarer Vers. Philipper 1,6. Aber der Vers reicht, um dich aus der tiefsten Krise herauszuziehen, wenn du ihn wirklich verstehst: „Ich bin ganz sicher“, heißt es von Paulus an die Philipper, „ich bin ganz sicher, dass Gott das gute Werk, das er in euch angefangen hat, auch weiterführen und am Tag, an dem Christus wiederkommt, vollenden wird.“ Ist das nicht schön? Hast du manchmal Angst, dass du nicht ankommst? Hast du manchmal Angst, deine Leistung reicht nicht für den Himmel? Nee, ist nicht dein Problem. Gott wird uns ans Ende bringen.
Und vielleicht denkt ihr: „Naja, du hast gut reden, Jürgen.“ Ich sage euch eins: Mein Leben ist bei weitem nicht so rein, so sündlos und so zielhaft, wie ihr vielleicht denkt. Ich bin an einigen Stellen genau so am Kämpfen. Vielleicht lasse ich es nicht so raushängen, vielleicht habe ich das eine oder andere schon unter die Füße gebracht, kann sein. Aber der Kampf ist volle Kanne da. Und Philipper 1,6 ist so ein Vers, wo ich sage: Halleluja, wirklich Halleluja, lobe den Herrn! Wenn es an mir hinge, würde ich nicht ankommen, keiner würde ankommen. Aber das ist nicht der Punkt. Gott wirkt in uns, das ist unsere Stellung, er wirkt in uns.
Und deswegen das, was ich dir vorgestellt habe, diese zwanzig Punkte, das bist du. Das wirst du nicht, das bist du schon. Du bist der, in dem Gott wirkt. Du bist Erbe Gottes, du bist Kind Gottes, du bist gerecht, du bist heilig, du bist – und du bist – und du bist. Und wenn ein Gedanke aufkommt, der da heißt: „Nee, das glaube ich nicht“, dann kann ich dir nicht mehr helfen. Ganz einfach vorbei, weil das ist die Sache mit dem Verstand gewesen. Du musst verstehen.
Wenn du dich nicht danach fühlst, habe ich kein Problem, das geht mir öfter so. Aber wenn du sagst: „Ich glaube es nicht, obwohl ich es verstanden habe“, dann hast du ein Problem. Weil mehr als es zu verstehen und dann zu sagen: „Okay, jetzt möchte ich meinen Willen dazu bringen, danach zu leben. Ich bin gerecht, jetzt will ich meinen Willen aber auch dazu bringen, dass er die Gerechtigkeit auch lebt und er werde die Tat folgen lassen.“ Und dann wird irgendwann das Gefühl nachkommen, das sagt: Zurückblickend auf zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre Christsein – jo, wir sind weitergekommen. In diesem und jenem Punkt. Also ich kann sagen: In puncto Bitterkeit hoffe ich nicht, dass ich heute Abend wieder runterfalle, aber bin ich ein Stückchen weitergekommen. Noch nicht lange, noch nicht da, wo andere Leute anfangen wahrscheinlich, aber ein Stück. Mehr ist passiert.
Und Paulus sagt mir auch allein die fünf oder ich weiß nicht wie viele Jahre, wie ihr uns jetzt kennt, sieben Jahre: Selbst Paulus meint, ich bin irgendwie gelassener geworden. Ja, natürlich, Gott verändert mich Stück für Stück. Aber es fängt damit an, dass ich Dinge verstehe und dass ich sie dann annehme.
Was will ich sagen? Ich will sagen: Gott hat dich überreich beschenkt. Stellt euch kleinen Giulio vor, der feststellt, was es alles an Spielzeugen gibt. Der das erste Mal vielleicht mit Mama nach New York fliegt und bei Harrods reingeht und sich mal die Spielzeugabteilung anschaut, irgendwie so anderthalb Stockwerke voll. Wow! Und Mami sagt: „Ich gehe mal zu den Damen, streune hier mal zwei Stunden rum, ich komme nachher mit meiner goldenen Ja-Sowieso-Card, und dann werden wir das, was du dir ausgesucht hast, einfach mal mitnehmen, weil wir müssen ja mal anfangen, dein Zimmer einzurichten.“ Oder stellt ihn euch vor, er geht in irgendeinen Eisladen und sieht da eben mal fünfhundert Sorten Eis, sagt: „Boah!“ Vorher kannte er seine Bohnensuppe, jetzt: „Boah!“ Oder stellt ihn euch vor, wie er auf seinem vollgefederten Mountainbike durch den Park heizt. Das ist Giulio reich beschenkt. Die Welt, die sich für ihn erschließt, aus der Großzügigkeit und der Liebe seiner Eltern heraus, ist unüberschaubar.
Und genau so ist es bei uns auch. Wir erfassen zwanzig Tops und sagen: Wir haben das verstanden. Vielleicht jetzt fangt ihr an, die nächsten zwanzig Tage vielleicht über jeden Punkt nachzudenken, nochmal die Bibelstelle nachzulesen und nochmal zu überlegen, was heißt denn das genau. Und wenn ihr ein bisschen drüber geht, geht euer Herzchen auf. Und ich sage euch, es ist ein Bruchteil von dem, was Gott uns geschenkt hat. So die Spitzen der Berge. Das Beste kommt noch. Wir können es ja noch gar nicht richtig fassen, was uns Gott da alles geschenkt hat.
Und lasst uns einfach in der Zwischenzeit die Lücke schließen zwischen dem, was wir sind in Christus, zwischen dem, wo Gott uns beschenkt hat, und dem, was du lebst. Lasst uns versuchen, das, wo wir jetzt verstanden haben, was wir sind, und das, was wir sein sollen, zusammenzubringen. Lasst uns Schritt für Schritt Gott als seine immer von ihm abhängigen Kinder nachfolgen. Wir werden diese Abhängigkeit nie verlieren.
In jedem Moment werden wir merken: Gott hat uns mit mehr beschenkt, als wir jemals hier auf der Erde ausleben können. Und lasst uns einfach in Treue Gott nachfolgen. Und da, wo du das Gefühl hast: „Ich schaffe es nicht mehr“, da sage ich dir heute: Das weißt du nie, du merkst es jetzt nur mehr.
Ganz am Ende wird stehen, was am Ende vom 1. Korinther 1 steht: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.“ Wir werden vor Gott nie etwas haben, womit wir angeben können. Überhaupt nichts.