Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte Ihnen sehr danken, dass Sie sich an die vorgegebene Zeit gehalten haben. Ihre Disziplin und Ihr Engagement sind bemerkenswert und tragen wesentlich zum reibungslosen Ablauf unserer Sitzung bei.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und die gute Zusammenarbeit.
Einleitung und geistliche Einstimmung
Eigentlich brauche ich das ja gar nicht. Nach dem, was wir gesungen haben, möchte ich einmal die letzte Strophe von Lied 15 zitieren:
Vielleicht ist das größte Wunder,
dass du auch nicht einen übersiehst,
uns begleitest bis zur letzten Stunde,
unseren tiefsten Lebenshunger stillst.
Deinem großen Vorbild wollen wir folgen
und in deinen Spuren dankbar gehen,
wollen uns in Ehrfurcht vor dir beugen
und am Weltenende vor dir stehen.
Das ist schon gewaltig. Da braucht man nicht auf dem Putzhauen. Manchmal muss man das natürlich, denn dann wird ja auch etwas deutlich, was unter dem Putz ist.
Und dann dieses schöne Lied, das Arne Kopfermann so etwas dichten konnte – das ist wirklich erstaunlich, fast schon zu viel. Also Lied 15, hoffentlich lebt er danach. Lied 16 – ja, da kann man ja gar nicht mehr weiter singen, finde ich.
Nun folge ich ihm im Leben und im Sterben, denn er versprach, dass er nach Haus mich führt. Ja, Tag für Tag wird Jesus mich erneuern, bis ich voll Freude stehe vor seinem Thron.
Ich bin gewiss, der Herr ist meine Hoffnung. Aller Dank und Ehre sei nur ihm. Ist mein Lauf dann vollbracht, bleibt mein Lied immer noch nicht durch mich, sondern durch Christus in mir – wenn das wahr wäre!
Bibeltext und thematische Einführung
Lesen wir aus Lukas Kapitel 9 bekannte Verse:
Er sprach aber zu allen: „Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will um meinetwillen, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.“
In den drei ersten Evangelien wird dieser Bibelvers zitiert: Matthäus, Markus und Lukas. Den letzten Vers hat auch Johannes in seinem Evangelium erwähnt, allerdings mit etwas anderen Worten, aber mit dem gleichen Sinn:
„Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.“
Vorbilder und das Leben von Jim Elliot
Vorbilder gesucht – und wir wollen heute über einen Mann nachdenken. Ich danke herzlich dafür, dass ihr die Lieder so vorgeschlagen habt. Sie passen wirklich sehr gut zu dem, was wir gerade von Jim Elliot lernen dürfen. Er wurde nur 29 Jahre alt.
Ich denke, viele von euch kennen seine Geschichte. Wer sie nicht kennt, sollte sie unbedingt lesen. Die Uhren wurden freundlicherweise nicht gestellt, zumindest habe ich das nicht bemerkt. Das heißt für mich, ihr habt grünes Licht. Hoffentlich bereut ihr das nicht, denn ich habe vier Teile und nicht nur drei.
Der erste Teil ist eine kurze Schilderung seines Lebens oder vielmehr seines Lebensendes. Damit will ich beginnen, also von hinten aufrollen. Dann folgt ein sehr langer Teil: eine Skizze seiner menschlichen und geistlichen Wurzeln. Danach gibt es noch einmal eine kurze Schilderung der Frucht seines Lebens.
Zum Schluss hätte ich gern noch etwas gesagt, eine kurze Aufzählung der wichtigsten Eigenschaften dieses Mannes, die Gott in ihm gewirkt hat, und was wir daraus für uns lernen können. Wie gesagt, ich nehme an, dass wir gerade mal mit den ersten drei Teilen hinkommen. Den letzten Teil werden wir wahrscheinlich nicht mehr schaffen – vielleicht ist er auch überflüssig.
Man hat mir 40 Minuten gegeben, um eines der wichtigsten, bewegendsten und folgenreichsten Lebensbilder der letzten hundert Jahre zu schildern. Das ist natürlich unmöglich. Es gibt eine große Anzahl Bücher über ihn und auch über seine vier Freunde, die wir ein bisschen kennenlernen werden. Sie gehören eigentlich auch dazu. Außerdem gibt es Filme, Dokumentationen und vieles mehr. Ich habe hier nur eine kleine Auswahl stehen.
So kann ich es also nur versuchen, ganz kurz zu zitieren und auf wichtige Stationen und Prinzipien aufmerksam zu machen. Ich hoffe, das erweitert euren Horizont ein wenig, provoziert euch und weckt Interesse, das Leben und die Hingabe von Jim Elliot wirklich kennenzulernen.
Literaturhinweise und Bedeutung der Biografie
Es gibt ein sehr gutes und spannendes Buch über die letzten drei Jahre und den Märtyrertod von ihm und seinen vier Freunden, den Mitmissionaren im Urwald von Ecuador. Dieses Buch wurde von seiner Frau Elisabeth, die in den Büchern immer Betty genannt wird, verfasst. Es umfasst 223 Seiten und ist noch zum Sonderpreis von drei Euro statt sechs Euro neunzig am Büchertisch als Restposten erhältlich.
Das ist der absolute Rest, danach wird es dieses Buch nicht mehr geben. Das ist sehr schade. Ich hoffe, wir können es irgendwann noch einmal neu auflegen. Leider ist das Interesse an Biografien unter jungen Christen relativ gering.
Ich bin unheimlich dankbar, froh und auch erstaunt, dass so viele von euch die Bücher gekauft haben. Wenn ihr sie wirklich lesen würdet, wäre das ein enormer Erfolg dieses Tages. Ich bin überzeugt, dass sie euch und vielen anderen zum Segen sein werden.
Bitte lest die Bücher und stellt sie nicht nur in euren Schrank oder verschenkt sie, ohne sie selbst zu lesen. Diese Bücher werden euer Leben verändern. Wir brauchen es dringend, dass unser Horizont größer wird, dass wir über den Tellerrand hinausschauen und das wirkliche Leben kennenlernen, das sich lohnt.
Einige dieser Bücher möchte ich euch kurz vorstellen – wenn das hier mit der Technik klappt. Hoppla, da haben wir es genau.
„Durchs Tor der Herrlichkeit“ wurde von seiner Frau, der Witwe, geschrieben. Es ist sicherlich das bekannteste Buch und entstand kurz nach seinem Tod, verfasst von Betty. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Bücher, die wir gleich noch kennenlernen werden. Zunächst einmal möchte ich euch dieses eine Buch „Durchs Tor der Herrlichkeit“ vorstellen.
Persönliche Erfahrungen mit der Lektüre
Was hat das in meinem Leben bewirkt? Ich war, wie viele von euch, ungefähr 19 Jahre alt und befand mich als Zivi in der damals noch recht frommen christlichen Stadt Bethel bei Bielefeld – also hier in der Nachbarstadt, die offiziell auch zu Bielefeld gehört. Dort, im Haus Nazareth – denn die Häuser in Bethel hatten und haben alle biblische Namen, die etwas mit dem zu tun haben, was in diesen Häusern passiert – fand das Ganze statt.
Nazareth war eine Diakonschule, in der man zum Diakon ausgebildet wurde. Dort gab es tatsächlich ein Seminarangebot zum Thema Evangelisation. Der Redner war ein Straßenprediger, der ehemalige Gewohnheitsdieb Wolfgang Dück. Vielleicht kennen einige von euch noch das Buch „Vom Knast zur Kanzel“. Er beeindruckte mit seiner unglaublichen Redegabe und seiner großen Berliner Schnauze. So provozierte er, dass anschließend die Fetzen flogen.
In diesem Seminar waren also alte, ehrwürdige, lutheranisch geprägte Diakone anwesend, aber natürlich auch viele jüngere Leute, wie die Diakonschüler und wir Zivis. Das war unglaublich – es ging zu wie in einem Hühnerstall. „So kann man doch nicht!“ und so weiter. Ich hatte meine große Freude daran.
Wolfgang Dück hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte ihn vorher noch nie kennengelernt und wusste nichts von ihm. Er hatte die gute Angewohnheit, bei all seinen Predigten mindestens ein Buch vorzustellen. Das Original dieses Büchleins habe ich hier mitgebracht. Es sieht zwar ein bisschen hässlich aus, aber es ist schon 50 Jahre alt: „Wahre Jüngerschaft“. Auf den Bildern seht ihr, wie sich das Outfit im Laufe der Zeit gewandelt hat. Danach sah es mal so aus, und irgendwann gab es dann auch eine gebundene Ausgabe.
Später durften wir bei CLV dieses Buch herausbringen. Leider wurde uns die Lizenz entzogen. Der Brockhaus Verlag meinte, das Buch sei viel zu billig gewesen – 5,90 Euro. Man müsse es mit ein paar Bildern herausgeben, dann könne man es für 18,99 Euro verkaufen. Ich habe mich lange gefragt, ob wir das boykottieren sollten, aus Protest. Es ist ja unglaublich, dass der Preis von 5,90 Euro auf fast 19 Euro steigt.
Aber ich habe das Buch trotzdem mitgebracht, einfach weil es so wertvoll ist. Ich weiß, ihr habt euer Geld schon ausgegeben und vielleicht noch den Rest gespendet. Ihr müsst es ja nicht jetzt mitnehmen, ihr könnt es bestellen oder euch ausleihen. Aber es ist ein unglaublich wichtiges Buch.
Dieses Büchlein „Wahre Jüngerschaft“ stammt von William MacDonald. Von ihm haben wir heute auch schon das eine oder andere gehört und auch Bücher vorgestellt bekommen. Damals war mir das alles völlig unbekannt. Ich kannte weder Wolfgang Dück noch William MacDonald.
In dieser kleinen Broschüre habe ich mir einen Satz dick unterstrichen und gemerkt: „Der ist kein Tor, der hingibt, was er nicht behalten kann, damit er gewinne, was er nicht verlieren kann.“ Das ist sicherlich der bekannteste Ausspruch von Jim Elliot. Wolfgang Dück hat diesen Satz so in den Raum hineingeknallt, dass alle sehr empört waren: „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“
Aber dieser Satz hat mein Leben ganz wesentlich geprägt. Er weckte mein Interesse sowohl für MacDonald und seine Bücher als auch für Jim Elliot. Seitdem versuche ich seit über fünf Jahrzehnten, das Anliegen beider Männer bekannt zu machen – durch Bücher, die man beim CLV herausgibt oder wenn sie woanders erscheinen, diese zu empfehlen, weil sie sehr, sehr wichtig sind.
Das war also jetzt mal so ein Überblick über die „Wahre Jüngerschaft“ von MacDonald. Nun kommt wieder der Nächste – mache ich etwas falsch hier? Das sind die Bücher, die über Jim Elliot und teilweise auch über seine Freunde erschienen sind, nur damit ihr einen Eindruck habt, was es da alles gibt.
Neuere Biografien und Briefe
Vor drei Jahren und vor zwei Jahren wurde dieses Buch von der Enkelin von Jim Elliot geschrieben. Es handelt sich um Valerie Elliot, die einzige Tochter des Ehepaars Elliot. Sie hat selbst acht Kinder.
Als ihre Kinder alle aus dem Haus waren oder sie in Rente ging, begann sie, die unveröffentlichten Briefe ihrer Eltern zu durchsuchen. Dabei entdeckte sie viele Briefe, die bisher noch nicht veröffentlicht worden waren. Aus diesen Briefen entstand dieses Buch.
Das Buch ist sehr schön und liebevoll geschrieben. Es enthält auch persönliche Erinnerungen, die Valerie durch die Briefe gewonnen hat. Mit über 400 Seiten ist es leider nicht ganz günstig. Der Preis beträgt 22,90 Euro.
Es ist eine große Freude und ein Ansporn, solche Bücher zu lesen. Besonders wertvoll sind die Zitate, die sowohl von der Mutter Betty als auch von Papa Jim Elliot stammen.
Märtyrertod und Missionsauftrag
Am 8. Januar 1956 wurden Jim Elliot und seine vier Freunde, ebenfalls Missionare, von den Aokas ermordet. Auka war ein Spottname, den andere Indianergruppen in Ecuador den Aokas gegeben hatten. In Ecuador gibt es eine große Anzahl verschiedener Indianergruppen, meist kleine Gemeinschaften.
Diese anderen Gruppen bezeichneten die Indianer, die in einem bestimmten Gebiet lebten, als Aukas, was übersetzt „Wilde“ bedeutet. Die fünf Missionare sahen ihre Aufgabe darin, gerade diesen Stamm zu erreichen. Der Stamm bestand damals nur aus etwa 500 Menschen.
Ihr müsst euch vorstellen, dass es damals nur rund 500 Aokas gab. Nachdem viele von ihnen zum Glauben kamen, vermehrten sie sich glücklicherweise. Zuvor hatten sie sich teilweise gegenseitig abgeschlachtet, da sie wirklich als Wilde galten.
Nun noch ein paar Worte zu den fünf Männern: Alle waren Akademiker. Einige waren Stars im Football und in der Leichtathletik. Einer hatte promoviert, ein anderer gehörte als Fallschirmjäger zur Ehrengarde von Präsident Eisenhower. Ed Macaulay gewann unter zehntausend Teilnehmern einen nationalen Rednerwettstreit mit dem ersten Preis.
Man muss sich vorstellen, was für außergewöhnliche Persönlichkeiten das waren – mit enormen Begabungen und vielen Karrierechancen in dieser Zeit. Einer von ihnen, Nate Saint, war überaus technisch begabt. Ich glaube, Kevin hat ihn sich sogar zum Vorbild genommen, stimmt das?
Nate Saint führte eine Reihe genialer Verbesserungen an kleinen Missionsflugzeugen durch. Das ist gut dokumentiert. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Der Dschungelflieger Nate Saint – sein Leben, unser Zeugnis“, das sehr anschaulich zeigt, dass es nicht nur um seine Redegabe ging, die er sicherlich auch hatte. Seine besondere Begabung lag darin, dass er technisch sehr versiert und interessiert war.
Dank seiner Fähigkeiten konnten viele Menschen in den Indianerdörfern und kleinen Siedlungen erreicht und mit dem Glauben in Kontakt gebracht werden. Das ist, wie ich finde, sehr interessant.
Wenn alles klappt, sehen wir hier die vier Brüder von links nach rechts: Jim Elliot steht genau in der Mitte, rechts neben ihm ist Nate Saint, ganz rechts Ed Macaulay. Vorne ist Robert, dessen Nachnamen ich nie im Kopf habe, und daneben Pete Flemming.
Diese vier Männer wurden alle in jungen Jahren, um die dreißig herum, getötet.
Die Auka-Indianer und ihre Kultur
Der Oka-Stamm war also ein sehr kleiner Stamm. Es handelte sich um Halbnomaden, die wie im Steinzeitalter lebten, völlig abgeschottet von der übrigen Welt. Alle bisherigen Versuche, diese Indianer irgendwie zu erreichen, um sie kennenzulernen oder ihre Kultur zu erforschen, waren jahrhundertelang gescheitert. Jeder, der versuchte, in ihr Stammesgebiet einzudringen, wurde ermordet.
Sie waren Kopfjäger und wurden nicht nur von den Weißen, die dort Geschäfte machen wollten, gefürchtet, sondern auch von den übrigen Indianerstämmen in ihrer Umgebung. Das lag einfach daran, dass sie so grausam waren. Auch diese anderen Indianer hatten keinen Mut, Kontakte zu knüpfen, weil sie wussten, dass jeder Versuch, diese Leute zu erreichen, mit Mord endete.
Sechs Jahre lang hatte Jim Elliot genau für diese kleine Volksgruppe gebetet, nachdem er von einem Missionar aus Ecuador darüber gehört hatte. Drei Jahre lang bereitete er sich intensiv auf den Missionseinsatz unter diesen wenigen Menschen vor. Pete Flemming und Ed McCully kannten Jim bereits als langjährige Freunde. Sie stammten wie Jim selbst aus den sogenannten Brüderversammlungen oder den Plümmesbrüdern. Auch Nate Saint und Roger lernten diese Gemeinschaften in späteren Jahren kennen. Sie waren in konservativen Baptistengemeinden aufgewachsen.
Drei Monate lang versuchten sie gemeinsam, 1956 mit Hilfe des Dschungelfliegers Nate Saint per Missionsflugzeug die Aoka-Siedlungen überhaupt ausfindig zu machen. Diese waren immer ganz kleine Siedlungen, versteckt im riesigen Urwald und kaum zu erkennen. Es gelang ihnen schließlich, durch abgeworfene Geschenke Vertrauen zu gewinnen.
Nate Saint war dabei besonders genial. Mit seinen Rundflügen nutzte er ein System, bei dem er mit einem Eimer und einem Seil, das aus dem Flugzeug herabgelassen wurde, Geschenke genau dort abwerfen konnte, wo die kleinen Siedlungen der Indianer lagen. So gelang es, dass einzelne Indianer Vertrauen gewannen und die Geschenke beantworteten. Sie legten Dinge in den Eimer, der dann wieder vom Flugzeug hochgezogen wurde. Darin fanden sich Affenschwänze, ein Papagei, der unterwegs gestorben war, und allerlei andere Gegenstände. Das war ein Zeichen dafür, dass sie dankbar waren und den Kontakt wünschten und suchten.
Sie erkannten, dass sich in der Nähe einer kleinen Siedlung eine Sandbank am Curaray-Fluss befand. Die Aokas bauten ihre Siedlungen immer an Flüssen, was gut nachvollziehbar ist. Dort errichteten die Missionare auch einen kleinen Stützpunkt, an dem sie übernachten konnten. Von dort aus wollten sie die Kontakte zu den Aokas vertiefen.
Nach einigen Tagen wagten tatsächlich drei Indianer, zwei Frauen und ein Mann, sich dem Flugzeug zu nähern. Interessanterweise sind Frauen meist mutiger, um den unbekannten Weißen zu begegnen. Als das Flugzeug landete, kamen sie also zögernd dazu. Der einzige Mann unter ihnen, den sie Georg nannten, war sogar bereit, in das Flugzeug zu steigen und einen Rundflug über die Siedlungen zu machen.
Man muss sich vorstellen, wie beeindruckend das für jemanden war, der noch nie einen Lendenschurz getragen hatte und plötzlich in einem Flugzeug saß. Er sah die Welt von oben, was sicher unglaublich gewesen sein muss. Auch die Missionare waren begeistert, dass Gott hier offenbar eine Tür öffnete.
Das war also die erste Begegnung. Ihr seht hier Georg, den Saisonanten, der sogar etwas zu essen mitbrachte. Die Freude war unbeschreiblich groß. Am nächsten Tag flog ein anderer Kollege mit dem Missionsflugzeug erneut über den Urwald in der Umgebung. Er gab per Funk durch, dass inzwischen sogar zehn Aoka-Männer unbewaffnet auf dem Weg zum Landeplatz waren, wo das Flugzeug stand.
Die fünf Missionare beteten und sangen gemeinsam ein Lied, das in der deutschen Übersetzung bisher so lautet: „Wir trauen auf dich, du Schirmer und Beschützer, wir gehen nicht allein in Feindesland!“ Dieser großartige Chor wird das später im Original auf Englisch singen. Es ist ein sehr ergreifendes Lied nach der Melodie der Symphonie Finlandia.
Voller Erwartung gingen die Missionare den unbewaffneten Aokas entgegen. Doch sie wurden in eine Falle gelockt. Dort warteten weitere bewaffnete Aoka-Krieger mit Speeren, die sie grausam durchstachen und ermordeten. Die Missionare hatten Pistolen bei sich, doch sie hatten sich geschworen, niemals auf Menschen zu schießen. Sie wollten sich nicht verteidigen, sondern lieber sterben, als den Aokas einen falschen Eindruck von Christen zu vermitteln.
Die Aokas töteten sie, zogen sie teilweise aus, verstümmelten ihre Leichen und warfen sie in den Fluss. Währenddessen saßen die Ehefrauen der Missionare in der Ferne am Funkgerät, beteten und warteten auf Nachrichten. Rechts seht ihr diese fünf Ehefrauen, links die Schwester von Nate Saint. Sie ahnten nicht, was geschehen war, hatten aber große Sorge.
Im nächsten Bild seht ihr, was aus dem Flugzeug geworden ist. Es wurde ziemlich auseinandergenommen und zertrümmert. Die Aokas wussten nicht, was sie damit anfangen sollten oder was sie zerstörten.
Erst nach einigen Tagen fand ein Suchtrupp aus Soldaten, Missionaren, Gläubigen und Quechua-Indianern unter Begleitung und Beobachtung eines Hubschraubers und eines Militärflugzeugs vier Leichen der Missionare. Sie konnten sie bei strömendem Urwaldregen in aller Eile beerdigen. Den wartenden Missionsfrauen wurde die erschütternde Nachricht vom Tod ihrer Männer überbracht.
Ihre Reaktion zitiere ich aus dem Buch „Der Dschungelflieger“:
„An diesem Abend versammelten sich die Frauen mit den Kindern im Wohnzimmer, wo einige der anwesenden älteren Männer die Bibel aufschlugen und Worte des Trostes und der Zuversicht daraus vorlasen. Die Offiziere und übrigen Gäste des Hauses saßen dabei und hörten zu.
Als die endgültige Nachricht ausgesprochen wurde, setzte sich Marie-Lou Maccalli, die Ehefrau von Ed Maccalli, ans Klavier und spielte den Choral, von dem ihre Männer den ersten Vers gesungen hatten, als sie den Aokas entgegengingen. Die Schwestern sangen die beiden weiteren Verse:
„Wir gehen im Glauben, fühlen unsere Schwachheit, wir brauchen deine Gnade Tag für Tag; wir preisen und anbeten deine Liebe, von der uns keine Macht je trennen mag.“
Von dem Mord ihrer Männer gehört, sangen sie dieses Lied. Es ist nicht zu fassen:
„Wir trauen auf dich, du Schirmer und Beschützer, dein ist der Streit, und dein wird sein der Ruhm, wenn siegreich wir der Eins durch Perlentore einziehen dürfen in dein Heiligtum.“
Johannes hat eine neuere Übersetzung dazu gedichtet und getextet, die sie später auch singen werden. Das ist wirklich ganz ergreifend.“
Herkunft und familiärer Hintergrund von Jim Elliot
Etwas zum Werdegang von Jim Elliot: Seine Familie spielte dabei eine wichtige Rolle. Sein Vater, Fred Elliot, wuchs in Kanada auf und wurde später ein kerniger Reiseevangelist in den USA. Er begleitete oft den bekannten Autor und Evangelisten Henry Ironside und lernte viel von ihm.
Die Enkelin Valerie schrieb über ihren Großvater: „Mein Großvater war Wanderprediger, der aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie die ultrakonservative Tradition der Plümmesbrüder, also der Versammlungsbrüder.“ Das fand ich sehr interessant, denn diese ultrakonservative Tradition der Plümmesbrüder prägt die Familie.
Die Mutter Clara war Chiropraktikerin. Fred lernte sie auf einer Farm kennen, während er mit Eiron Zeit im evangelistischen Einsatz war. Das ist auch eine schöne Art und Weise, sich kennenzulernen, sich lieben zu lernen und dann gemeinsam den Weg mit dem Herrn zu gehen.
Ein weiteres Zitat stammt von Elizabeth Elliot: „Auf die vier Kinder hatte dies einen tiefgehenden Einfluss. Es lehrte sie die Tugend der Gastfreundschaft und gab ihnen die Gelegenheit, viele verschiedene Arten von Menschen kennenzulernen.“ Es gab ständig Besuch: viele Reiseevangelisten und Missionare aus aller Welt kamen zu der Familie. Die vier Kinder – Bert, Jim, Bob und Jane – wurden von klein auf mit Mission und dem, was Gott weltweit tut, vertraut gemacht. Alle vier hatten früh das Verlangen, ihr Leben ganz dem Herrn hinzugeben. Alle drei Brüder wurden Missionare.
Jim Elliot kam im Alter von sechs Jahren zum Glauben. Das ist ebenfalls interessant. Eines Tages kam er zu seiner Mutter und sagte: „Mama, jetzt kann Jesus kommen, wenn er will, und könnte die ganze Familie mitnehmen, denn jetzt bin auch ich gerettet.“
Man erzählt auch, dass er, als er sechs oder sieben Jahre alt war, auf dem Spielplatz saß und schaukelte. Schon damals versuchte er, von der Schaukel aus seine Spielkameraden zu missionieren und zu evangelisieren. Er war also schon in jungen Jahren sehr eifrig.
Als Schüler der Polytechnischen Oberschule in Benzen redigierte er die Schulzeitung. Dort zeigte sich schon seine schriftliche Begabung. Er las unheimlich viel, auch Philosophie und andere Themen. Außerdem war er ein begabter Schauspieler und wurde bei allen Aufführungen der Schule und des Colleges gefragt. Er hatte den Ruf, der beste Redner von Benzen oder sogar der ganzen Stadt zu sein.
Ein Lehrer sagte nach einer Rede, die Jim zum Tod von Roosevelt hielt: „Das war die beste Rede, die ich je von einem Schüler gehört habe, und eine der besten, die ich überhaupt von jemandem gehört habe.“ Jim Elliot muss also eine ganz besondere Begabung gehabt haben: eindrücklich, klar und deutlich zu predigen.
Interessant ist auch, dass Elisabeth Elliot in seinen Tagebüchern nachliest, dass Jim es absolut nicht leiden konnte, wenn ein Prediger eine Versammlung mit einem Witz begann. Das fand er so abscheulich, dass er das nie in seinem Leben getan hat. Das finde ich sehr sympathisch.
So sah Jim als kleiner Junge aus, und dann mit achtzehn, neunzehn Jahren, als er Student war. Damals schrieb er in seinem Tagebuch: „Heiland, ich weiß, du hast mir volle Freiheit gegeben, dir zu dienen oder meinen eigenen Weg zu gehen. Ich möchte dir auf ewig dienen, denn ich liebe meinen Meister. Ich will nicht nach meinem eigenen Willen leben. Richte mein Ohr, Herr, dass es nur deine Stimme hört.“
Wer weiß, auf welche Bibelstelle sich das bezieht? Es ist wahrscheinlich 2. Mose 21. Andreas weiß das natürlich. Dort heißt es, dass ein Knecht die Freiheit hat, seinen Herrn zu verlassen, aber wenn er sagt: „Ich liebe meinen Herrn und auch meine Frau und meine Kinder, und ich will nicht frei ausgehen, sondern meinen Herrn lieben“, dann wird er an einen Pfosten gestellt, und sein Ohr wird mit einer Prieme durchbohrt. So wie bei den Rindern in unserer Nachbarschaft in Schoppen, die alle eine Marke im Ohr haben, damit man weiß, wem sie gehören.
Das sollte ganz deutlich machen, dass er lebenslänglich Sklave sein wollte, seinen Herrn lieben und ihm gehorchen. Das finde ich unheimlich schön. Das hatte er schon als junger Christ so gewünscht.
Begegnung mit Betty und geistliche Entwicklung
Er studierte weiter und engagierte sich in der Missionsarbeit in der Umgebung, zusammen mit einigen Studenten. Betty war ebenfalls dabei, und so kam es zu ihrer ersten Begegnung. Sie war von ihm tief beeindruckt.
Interessant ist, dass beide nach einigen Wochen unabhängig voneinander in ihr Tagebuch schrieben, und ihre Einträge sich sehr ähnlich anhörten. Zuerst Betty: Sie schreibt in einem Gebet: „Lass mich für dich brennen, geliebter Herr, verbrennen und verbrauchen für dich. Lass mich nicht rosten und im Leben versagen, mein Gott, vor dir. Verwende mich und alles, was ich habe, für dich und zieh mich so nah zu dir, dass ich das Pochen von Gottes großem Herzen fühle, bis ich für dich verbrenne.“
Man merkt Betty eine außergewöhnliche schriftstellerische Begabung an. Zur gleichen Zeit schrieb Jim in seinem Tagebuch: „Vater, nimm mein Leben, ja mein Blut, wenn du willst, und verzehre es in deinem Feuer. Ich will es nicht behalten, denn es ist nicht mein, dass ich es für mich behielte. Nimm es her, nimm es ganz, gieß es aus als eine Opfergabe für die Welt. Blut ist nur von Wert, wenn es von deinem Altar fließt.“
Diese Worte hatten wir heute schon in anderer Form gehört. Und dann dieses ergreifende Gebet von ihm, das sicherlich viele kennen: „Herr, zünde an den toten Reisighaufen meines Lebens, gib, dass ich aufflamme und für dich verbrenne. Verzehre mein Leben, Herr, denn es ist dein. Ich trachte nicht nach einem langen Leben, sondern nach einem erfüllten, gleich dir, Herr Jesus.“
Beide waren damals etwa 21 Jahre alt, als sie diese Gebete völlig unabhängig voneinander in ihre Tagebücher schrieben. Es ist zu hoffen, dass viele Menschen die Angewohnheit pflegen, ihre Eindrücke, Erlebnisse, Gebete, Wünsche und Nöte in einem Tagebuch festzuhalten. Leider ist das heute aus der Mode gekommen.
Inzwischen hatte Betty den Eindruck, dass Jim sich für sie interessierte. Bisher hatten sie sich nur einmal verabredet, um gemeinsam zu einer Konferenz nach Chicago zu reisen. Das war schon einige Wochen her. Sie führten einige Gespräche und machten auch gemeinsame Einsätze. Doch keiner von beiden hatte zugegeben, dass es mehr als eine Bekanntschaft oder lose Freundschaft war. Schließlich gestanden sie sich ein, dass sie einander liebten.
Dann kam ein besonderer Tag: An einem Abend machten sie einen Spaziergang und betraten unbeabsichtigt durch eine offene Skulptur einen Friedhof. Betty schilderte es so: „Wir setzten uns auf eine Steinplatte, und Jim erklärte, er habe mich Gott dargegeben, ungefähr wie Abraham seinen Sohn Isaak.“
Das erschreckte sie, denn genau dasselbe Bild hatte ihr seit einigen Tagen immer wieder vorgeschwebt, wenn sie über ihre Beziehung nachgedacht hatte. Beide waren der Ansicht, dass ihr Weg von Gott bestimmt wurde. Ihr beider Leben gehörte ganz ihm. Wenn es ihm gefiel, das Opfer anzunehmen und zu gebrauchen, wollten sie nicht die Hand darauf legen, um es zurückzuziehen und für sich selbst zu behalten.
Mehr war dazu nicht zu sagen. Beide gestanden ihre Liebe zueinander, aber sie sagten auch: „Wir gehören dem Herrn, und er kann mit uns machen, was er will. Wenn er möchte, dass wir unser Leben ihm opfern, ohne zusammenzuleben, dann geschehe der Wille des Herrn. Wir wollen nicht unsere Hand auf dieses Opfer legen und es zurückziehen.“
Erstaunlich, dass sie mit 21 Jahren so reif waren. Sie saßen schweigend da, als Betty fortfuhr: „Plötzlich wurden wir gewahr, dass in unserem Rücken der Mond aufgegangen war und zwischen uns der Schatten eines großen Steinkreuzes lag.“
Das Datum, das sie abends in dem Gesangbuch vermerkte, stand neben dem folgenden Liedvers: „Und willst du wirklich, dass ich nun verzichte auf jenes Eine, das mir köstlich schien, Betty, so nimm das hin, es war ja doch nicht mein. Ich erlasse dir nur, was längst schon dein. Dein Wille geschehe.“
Sie trafen eine Entscheidung: Das Kreuz Jesu war der Ort, an dem sie ihm alles übergaben. Sie würden für ihre Wünsche sterben und nur für Gott allein leben. Sie wollten ihre Gefühle füreinander loslassen, um allein Jesus nachzufolgen.
Eine kurze Zwischenbemerkung: Diese Szene war für mich Grund genug, mich mit meiner lieben Ulla auf einem Friedhof zu verloben. Ich dachte, das sei der passende Ort, einen Ring umzustecken – und zwar am Grab von Pastor Wilhelm Busch, durch den wir zum Glauben gekommen waren.
Es war ein müder, mühseliger Tag Ende September, es nieselte ziemlich und war schon dämmerig. Der Friedhof war abgeschlossen, und über den Zaun wollten wir auch nicht springen. In der Nähe von Wilhelm Buschs Grab, das wir erst ein paar Monate zuvor besucht hatten, steckten wir uns die Ringe an. Ich kannte das Grab also noch gut. Ulla sprach ein sehr frommes Gebet, in dem sie sagte, dass unser Leben kurz sei. Das Minuszeichen zwischen zwei Jahreszahlen sehe man ja an den ganzen Grabsteinen, und so wollten wir unser Leben für Gott leben.
Ja, meine liebe Ulla sagte dann auch artig Amen. Aber dass sie sich eine Verlobung etwas anders vorgestellt hatte, können zumindest die Schwestern hier wohl nachvollziehen. Das war nur eine Zwischenbemerkung. So kann man von Biografien beeindruckt sein und gute Ratschläge oder Wegweisung erhalten, unter welchen Umständen man sich auch verloben kann.
In dieser Zeit bekam Jim auch einen Brief von seinem Vater, der zeigt, aus welchem Format seine Eltern waren. Jim schrieb an seinen Vater: „Ich bin besorgt über jede Sache und jeden Menschen, der dich auf deinem Weg zu den ewigen Gütern und zu einem gänzlich gottgeweihten Leben hindern könnte.“
Ist das nicht großartig? Da schreibt ein Vater an seinen Sohn: „Ich bin besorgt über jede Sache und jeden Menschen, der dich hindern könnte, wirklich ein gottgeweihtes Leben zu führen.“ Ich wünsche mir, dass wir, die wir Väter sind – und einige sind es ja unter uns – dass das wirklich unsere größte Sorge und unser Gebet bleibt, dass unsere Kinder nicht durch irgendeine Sache, irgendein Hobby oder eine Person aufgehalten werden, gänzlich für den Herrn zu leben.
Jim schrieb im Alter von 22 Jahren in sein Tagebuch: „Ja, ich habe heute ein ungewöhnliches Gebet gesprochen. Ich habe mit meinem himmlischen Vater vereinbart, dass er eines von zwei Dingen tut: Entweder sich selbst bis zum Äußersten in mir verherrlicht oder mich tötet. Durch seine Gnade werde ich nicht sein Zweitbestes erhalten. Er hat mich gehört, glaube ich. Ich glaube, er hat mich gehört und hört mich, sodass es jetzt nichts mehr gibt, worauf ich mich mehr freuen kann als auf ein Leben in aufopfernder Sohnschaft. So wird mein Erlöser verehrt, meine Seele. Oder bald auf den Himmel, vielleicht schon morgen. Was für eine Aussicht!“
Ich weiß nicht, wer so einen Satz unterschreiben würde. Ich kann es nicht. Aber hier sehen wir einen begabten jungen Mann, der dem Herrn hingegeben ist und sich freut, wenn es möglich ist, schon heute beim Herrn zu sein. Gott war für ihn keine Spaßbremse, sondern Lebenserfüllung.
Es dauerte jedoch vier Jahre mit Beten, Hoffen und Zweifeln, bis beide von Gott zubereitet wurden, sich zu verloben. Sie hatten ihre Liebe zueinander gestanden, aber Jim zweifelte immer daran, ob es Gottes Wille war, zu heiraten. Sie lebten zusammen, das wussten sie, aber bedeutete das automatisch, dass sie jetzt auch heiraten und zusammenleben sollten?
Der Ruf Gottes in die Mission war ihm so deutlich und bewusst, dass er Jahre wartete, ob es für ihn das Richtige war, sich an eine Frau zu binden. Lange glaubte er, dass es Gottes Bestimmung für ihn war, ledig zu bleiben, um als Pioniermissionar unbelastet mit der Aufgabe und Pflicht für eine Frau zu sorgen und mit allen Kräften ungeteilt dem Herrn zu dienen.
Fragen zur Beziehung und persönliche Herausforderungen
War es richtig, dass Jim seine Gefühle für Betty und seine Liebe zu ihr über Jahre hinweg offen mitgeteilt hat, ohne bereit zu sein, sich verbindlich zu verloben? Hätte er Betty nicht viele Sorgen und Tränen ersparen können? In den Tagebüchern ist nachzulesen, wie schwer es auch für Betty war, in dieser Ungewissheit zu lieben. Sie wusste nicht, ob er sich verloben würde, und letztlich schien er sich nicht binden zu wollen.
Bereits im Herbst 1948 schrieb Jim an Betty: „Ich muss dir gestehen, Betty, dass ich es bereue, dass wir bei unserem körperlichen Kontakt so weit gegangen sind, obwohl das in den Augen der meisten sehr wenig war. Falls wir je wieder zusammen sind, müssen wir uns davor hüten, denn das hat mir einen Appetit nach deinem Körper geweckt, den ich als Schutt betrachte, der mich an der Arbeit hindern will. Du musst in dieser Hinsicht hart zu mir sein, auch ungewöhnliche Worte.“
Ein paar Wochen vorher hatte er in seinem Tagebuch geschrieben: „Mein Gott im Himmel, wie bin ich gestrickt! Oh, wenn ich nur nie eine Frau gekostet hätte, dann wäre dieser Durst bei der Erinnerung an sie nicht so stark. Ich war heute den ganzen Tag beängstigend niedergeschlagen, ein Gefühl, irgendetwas falsch gemacht zu haben, weil ich dem lustvollen Denken erlegen bin, das gegen die Seele kämpft. Ein Tag in Gegenwart von Dämonen, schlaue, grausame Dämonen, die getarnt auftreten und mich bekämpfen. Gott, befreie mich, o führe mich zu deinen Fluchtwegen!“
Vierzehn Tage später notierte er: „Leidenschaft, die an Wahnsinn grenzt, erfasst mich manchmal – Gott sei Dank nicht immer, aber oft genug –, dass es eine sehr reale, wichtige Sache ist, sie um der Arbeit willen zu leugnen. Aber das starke Verlangen, das ich jetzt habe, zeigt mir, dass ich das nicht ewig schaffe. Wenn der Herr es verlangt, wird er mich lehren, die Begierde zu beherrschen, auch wenn ich das jetzt noch nicht kann.“
In dieser Wartezeit, in der viele Briefe geschrieben und sich auch manchmal getroffen wurde, gab es auch eine schmerzliche Erfahrung für Betty. Jim hatte sich bisher als sehr attraktiver Mann bewusst vor dem Umgang mit Frauen gehütet und galt allgemein als Weiberfeind.
Das ist auch eine gute Bemerkung: Unter uns sind ja auch manche attraktive junge Männer, die sich davor hüten und lieber als Weiberfeind gelten, als sich selbst in Gefahr zu bringen. Fischer, ein Freund und Mitstudent von Jim, erzählt aus seinen Erfahrungen mit ihm: Bei Frauen war Jim immer sehr auf der Hut, er fürchtete, sie seien nur darauf aus, den Mann von seinen Zielen wegzulocken.
„Männliche Wesen, die sich zähmen lassen, sind fürs Wagnis wenig brauchbar“, sagte Jim warnend. So oft eine junge Dame bei einer Gesellschaft zu freundlich wurde und ich, Fischer, anzubeißen schien, hörte ich eine leise Stimme neben mir: „Nimm dich in Acht, Fischer, nimm dich in Acht.“ Auch ein guter Tipp für die anwesenden Herren.
Aber Jim war kein Asket und genoss von ganzem Herzen alles, wovon er glaubte, dass es ihm von Gott gegeben sei. Er hielt es für ratsam, aus seinem Tun und Unternehmen alles auszuschließen, was die Macht hatte, ihn von der Erfüllung des Willens Gottes abzulenken.
Ob Gott ihm das verlieh, was er die Gabe des Ledigbleibens nannte, wusste er noch nicht. Jedenfalls versuchte er nicht, diese Möglichkeiten von sich hinwegzudiskutieren. Er glaubte, dass Christus allgenügend sei – auch für das volle Entfalten und Erfüllen der Persönlichkeit – und war bereit, sich Gott hierin ganz anheimzugeben.
Er schrieb in seinem Tagebuch: „Das leichte Lachen, die verführerische Musik, sich vermischende Stimmen, die lockenden Reize lächelnder Augen – für eine Seele, die Christus geschmeckt hat, ist dies alles ohne Würze. Ich möchte aber trinken von ihm, und das reichlich.“
Persönliche Krisen und geistliche Ehrlichkeit
So, jetzt habe ich schon fünf Minuten Minus und bin noch nicht zu Hilfe gekommen. Was machen wir jetzt? Regie: Wie viele Minuten gibt er mir noch? Fünf, sieben? Dann will ich ein bisschen schneller lesen.
Es ging nicht nur um Hirnflüge. Die Nüchternheit und absolute Ehrlichkeit in Jims Tagebuch ist auffallend und auch hilfreich. Hier schreibt nicht ein schwärmerischer, euphorischer Mann, der nur in geistlichen Hirnflügen schwelgte, sondern jemand, der auch die Anfechtungen kannte und beschrieb.
Eine Tagebucheintragung: „Den ganzen Vormittag leer und ohne Verbindung, lange auf den Knien gelegen, aber keine Inbrunst und keine Lust zum Gebet. Auch beim Bibellesen kein wirkliches Aufmerken und Hinhören.“ Was nützen griechische Textkommentare, Erkenntnis, Begabung und alles, wenn das Herz nicht mehr mit Christus verbunden ist? Ach, wie viel Schlaffheit fühle ich jetzt in meinem Inneren.
Am 4. Februar schreibt er von Schwierigkeiten, aus dem Wort Gottes auch nur den kleinsten Zuspruch zu bekommen, und von keinem Gebetseifer. „Wenn ich überhaupt etwas aus der Schrift gewinnen will, muss ich mich zum Bibelstudium zwingen. Die Lust fehlt manchmal völlig. Umso mehr muss ich der inneren Stimme des Gewissens folgen, wenn sie sagt: Du sollst. Es ist wichtig, dass ich diese Stimme achten und ihr gehorchen lerne. Sonst wird die Gottverbundenheit bei mir nicht zu einem Seelenzustand werden, sondern etwas Momentanes bleiben.“
Jetzt folgt ein ganz wichtiger Satz: „Das Hintreten vor den Herrn darf ich nicht davon abhängig machen, dass ein freundlicher Impuls kommt und mich hinführt. Es ist besser, festen Prinzipien zu folgen, solchen, von denen ich weiß, dass sie richtig sind, ob ich sie erfreulich finde oder nicht.“
Das ist ein Thema für sich: ganz wichtige Prinzipien, die wir auch lernen müssen, gerade in einer Zeit, in der man nach dem Lustprinzip lebt. Es gibt bekannte und auch wirklich begabte Evangelisten, die sagen: Wenn du keine Lust hast zum Bibellesen, dann lass es doch mal ein halbes Jahr sein, bis du wieder Geschmack hast – oder auch mit dem Beten. Das muss man sich mal vorstellen.
Dann kam eine Zeit, die er „die neue Freiheit“ oder „Wiedererwachen“ nannte. Er geriet in eine Krise, weil er meinte, er hätte sich zu gesetzlich verhalten – besonders in Verbindung mit seinen Mitstudenten. Er wollte zeigen, dass er auch ein ganz normaler Mensch ist und wollte alle Möglichkeiten ausschließen, ihn für gesetzlich zu halten. Deshalb sprengte er seinen Verbotskodex, seine fromme Haltung mit pedantischen kleinen Gesetzen, um eine neue Freiheit zu demonstrieren.
Er wollte der Klasse zeigen, dass er kein gesetzlicher Christ war. Dann berichtet er seiner Betty von einem sogenannten Rollentauschtag. An diesem Tag zogen sich die Männer wie Frauen an und umgekehrt. Das war ein ganz wilder Tag unter den Studenten, obwohl es eine christliche Universität war – wirklich.
Er berichtet weiter, dass eine einstige Gangsterbraut ihn eingeladen hat, sie an diesem Abend zu begleiten. Er bezeichnet diesen Abend als hinreißend, hauptsächlich wegen ihres Aussehens.
Weitere Tagebucheintragung: „Wir beschlossen, in einem Wohnzimmer der Mädchen eine Party zu feiern. Wir kamen alle zusammen, aßen Chips, tanzten und alberten herum. Ich wünsche, mein Herz würde mich stärker verurteilen. Ich bin schlimmer als ein Gemeinschaftstier, ich bin ein Gesellschaftssüchtiger.“
Betty war natürlich total erschüttert, als solche Briefe und Beschreibungen kamen. Sie schrieb in ihr Tagebuch: „Die Albernheiten und Dummheiten ließen mich kalt. Jim hat tatsächlich den Rollentauschtag in einer für 1949 empörenden Kleidung geleitet. Ich habe mich heute mit der Ewigkeit befasst, Offenbarung 15 und 16 gelesen und mir vor Enttäuschung die Augen ausgeweint. Sein Brief war ungewöhnlich leer.“
Ob er sein Versprechen hält, ehrlich zu sein? Sie war belastet und erwog tatsächlich die Frage, ob sie die Beziehung zu Jim lösen und beenden sollte.
Ein paar Wochen später schrieb Jim reumütig, entschuldigte sich und so weiter. Er gab zu, übertrieben zu haben.
Dann vergingen noch ein paar Wochen bis zur Verlobung, als sie beide schon in Quito in Ecuador waren.
Verlobung und abschließende Gedanken
Ich muss jetzt ganz straffen. Wie war das mit dem, der zeigt jetzt die sieben Noten an?
Am 31. Januar haben Jim und ich uns verlobt. Ich bin vor Staunen ganz überwältigt. Ich kam am Samstagnachmittag nach Quito. Jim war schon am Tag zuvor angekommen. Wir aßen zusammen, und vor dem Kamin im Maranatha-Haus fragte er mich: „Willst du mich heiraten?“ Meine Antwort war für eine Frau ungewöhnlich: „Ich habe keinen Grund zu zögern. Jim, ich liebe dich.“ Das hatte Andreas uns auch schon vorgezeigt, und ich will dich heiraten. Das hat mir Frieden gegeben.
Nach einem Moment der Stille und unserem ersten Kuss steckte er mir einen Ring an den Finger. Die Erleichterung, dass ich ihm endlich meine Liebe gestehen konnte und mich zum ersten Mal frei dazu fühlte, war einfach unbeschreiblich. Ich sehnte mich voller Liebe schmerzlich nach ihm und freute mich jetzt auf den Tag, an dem er mein Ehemann wird. So, da gibt es auch ein nettes Bild von der Verlobung.
Ach, da sind wir schon wieder. Sehr interessant ist, was Valerie, das einzige Kind von Jim und Betty, in der sehr wertvollen und neuen Biografie ihrer Eltern über diese lange Verlobungszeit geschrieben hat. War es unklug von meinem Vater gewesen, ihr schon 48 seine Liebe zu gestehen? Damals war er ziemlich sicher, dass Gott von ihm verlangte, als unverheirateter Missionar ins Ausland zu gehen. Aber natürlich kannte er Gottes Plan noch nicht. War er zuvor allzu naiv gewesen?
Was würde ich einem jungen Mann raten, von dem ich wüsste, dass er sich verliebt hat? Ich glaube, ich würde sagen: Sei sehr vorsichtig, wie viel Zeit du mit ihr verbringst, bevor du ihren Vater um seinen Segen bittest, sie mit ernsten Absichten besser kennenzulernen. Das ist eine andere Welt. Und selbst wenn du Hals über Kopf in sie verliebt bist, solltest du versuchen, den Mund zu halten, bis du absolut sicher bist, dass sie die Richtige für dich ist.
Es ist so üblich und billig geworden, „Ich liebe dich“ zu sagen, dass dadurch oft ungeahntes Leid ausgelöst wird. Hoffnungen werden zerschlagen, Herzen verletzt, wenn keine Heiratsabsicht dahintersteht.
Dann kommt ein schöner Satz: Männer sollten Gott suchen, bevor sie eine Frau suchen. Frauen sollten ihre ganze Hoffnung auf Gott setzen, dass er den richtigen Mann in ihr Leben führt, falls das sein Wille ist. So schützt und versorgt Gott uns Menschen.
Das erinnert mich an das T-Shirt eines meiner Söhne mit der Aufschrift: „Suche ihn, Gott, um sie zu finden.“ Ich glaube, meine Mutter und mein Vater würden diesen Satz unterstreichen: Suche ihn, Gott, um sie zu finden. Vielleicht ist das auch ein Satz, den du von diesem Tag mitnehmen kannst.
Wer war das? Ich bin ja überhaupt kein Freund von Klatscherei hier, aber in diesem Fall war das angebracht. Ja, also, Leutchen, tut mir leid, ich höre ja auf. Das hat keinen Zweck, das Schönste kommt noch. Dann lest mal in den Büchern weiter, freut euch und lernt daraus für euer Leben. Danke für eure Geduld.
Was machen wir jetzt? Ach, jetzt kommt das Lied, da müssen wir nochmal gut zuhören. Wirklich, und habt das bitte im Hintergrund, zu welchem Zeitpunkt dieses Lied gesungen wurde, nämlich als die fünf Witwen da saßen mit ihren Kindern und die Botschaft vom Tod ihrer Männer erhalten hatten. Die Männer waren alle, wie gesagt, um die dreißig Jahre alt.
Vielleicht zeigen wir noch ein Bild von einigen der jungen Familien. Da sehen wir sie mit ihren Kindern. Das war der Zeitpunkt, an dem das Massaker stattgefunden hatte.
