Zweifel am Stellenwert des Kreuzes in der heutigen Zeit
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das mit dem Kreuz wirklich schon als Trumpf gilt, ob es also wirklich so angenommen, verstanden und akzeptiert wird.
Ich denke dabei an ein Gespräch, in dem jemand sagte: „Also mit Gott kann ich zustimmen. Aber was ihr Christen ewig mit eurem Jesus habt und dann noch die ganze komplizierte Sache mit dem Kreuz – da fehlt mir die Fähigkeit, das nachzuvollziehen.“
Warum ist das eigentlich so? Offen gesagt habe ich manchmal den Eindruck, dass, wenn Christen vom Kreuz sprechen, sich Verlegenheit und Peinlichkeit breitmachen. Dann reden sie von tiefsinnigen Symbolen, vom Leiden im höheren Sinne und so weiter. Am Ende hat man den Eindruck, das Kreuz ist nur noch eine nette Dekoration geworden.
Doch wenn es um Trümpfe geht, spielen wir in unserem Leben ganz andere Karten aus. Das Kreuz taucht dabei eigentlich nicht auf.
Deshalb schulde ich Ihnen noch eine Erklärung. Ich habe mir gedacht, wir sollten an der härtesten Stelle einsteigen – nämlich mit einem Menschen, der sich wahnsinnig schwer mit diesem Kreuz getan hat. So soll der Eindruck vermieden werden, dass nur diejenigen mit dem gekreuzigten Jesus etwas anfangen können, die schon immer eine Neigung dazu hatten oder positive Voraussetzungen mitbrachten.
Wenn ich in die Bibel schaue, stelle ich fest, dass keiner der Menschen, die mit dem gekreuzigten Jesus in Berührung kamen, positive Voraussetzungen mitbrachte. Es war immer sehr schwierig.
Derjenige, den ich Ihnen jetzt vorstellen will, hatte es wahrscheinlich am schwierigsten. Er gehörte jedenfalls zu denen, die die dicksten Probleme mit dem Kreuz hatten.
Die unerwartete Begegnung mit dem Kreuz
Es war freitags morgens kurz vor neun. Das ist sowieso eine Zeit, in der man über alles Mögliche nachdenkt, aber nicht über das Kreuz.
Er kam gerade von der Arbeit. Es war ein tüchtiger Mann, der schon vor Tau und Tag auf dem Feld gearbeitet hatte. Wahrscheinlich wollte er so die Hitze des Tages vermeiden. Dann kam er ganz zufällig vor neun Uhr in die Stadt und sah, dass irgendetwas los war. Die Leute waren auf den Beinen, und es herrschte Gejohle in den Straßen. Er sah Soldaten, und ehe er richtig begriffen hatte, was da passierte, packten ihn schon zwei kräftige Soldaten am Genick und an den Kleidern und zerrten ihn mitten hinein in das Geschehen.
Er bekam überhaupt keine Übersicht über das, was dort vor sich ging. Dann legten sie ihm einen schweren Balken auf die Schultern. Einer der Soldaten gab ihm einen Tritt und sagte: „Los, Junge, hau ab!“ Er schleppte den Balken vorwärts.
Vor ihm sah er die bleiche Gestalt eines etwa Dreißigjährigen wanken. Die Leute spuckten nach ihm und traten nach ihm. Durch das Gedränge in der Innenstadt Jerusalems bahnte sich diese traurige Truppe einen Weg hinaus zum Schrottplatz Golgatha.
Markus 15 berichtet: „Und sie führten Jesus hinaus, dass sie ihn kreuzigten, und zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, dem Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage. Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt Schädelstätte, und sie kreuzigten ihn.“
Das ist das Erste, worauf ich an diesem Tag Ihr Augenmerk lenken möchte. Hier ist jemand, der ganz schlechte Voraussetzungen mitbringt. Er stammt aus Nordafrika – aus der Gegend von Libyen oder Tunesien, dort lag Kyrene. Wir wissen nicht genau, ob er damals Jude war, ob er in Jerusalem wohnte oder nur als Festgast und Pilger dort war, wie viele Juden aus dem internationalen Judentum nach Jerusalem gekommen sind. War er spazieren gegangen auf dem Feld? Hatte er Grund und Boden? Hatte er einen Acker? Hatte er dort gearbeitet? All diese Fragen bleiben offen.
Jedenfalls war er ein Passant. Ganz zufällig kam er vorbei, und seine Erfahrung mit dem Kreuz Jesu Christi war alles andere als angenehm. Für ihn war das der Inbegriff von Zwang und Brutalität. Er wurde nicht gefragt, wie er dazu stand oder was er darüber dachte. Was für einen Eindruck das auf ihn machte, wissen wir nicht. Er wurde einfach brutal unter dieses Kreuz gezwungen. Es war wie ein Schock. Jesus – das war für ihn der Inbegriff einer schlimmen Begegnung.
Interessant ist nur, dass dieser Mann später zur Gemeinschaft der Christen gehört haben muss. Markus berichtet darüber und erinnert seine Leser mit einem Augenzwinkern daran, dass Simon der Vater von Alexander und Rufus war. Das heißt, diese beiden müssen den Adressaten des Evangeliums bekannt gewesen sein. Da muss also etwas im Leben dieses Mannes passiert sein.
Seine Begegnung mit dem gekreuzigten Jesus war zunächst ein einziger Schock, eine einzige üble Sache. Jedenfalls ist eines klar: Jesus und sein Kreuz waren für Simon von Kyrene nicht die Erfüllung seiner Wünsche. Er hatte nicht schon lange darauf gewartet, dass dieser Jesus ihm in seiner Not helfen würde. Dieser Jesus war für ihn keine Beruhigung auf nüchternem Magen. Fast scheint es, als beginne die Katastrophe, und es sieht so aus, als würde er nun auch unter die Räder geraten.
Die Konfrontation mit der Wirklichkeit des Kreuzes
Was ist das Typische? Das Typische an der Szene, auf das man sehr sorgfältig achten muss und wovon man für das eigene Leben und die eigene Problematik mit diesem gekreuzigten Jesus viel lernen kann, ist Folgendes: Er wird mit der Wirklichkeit des Gekreuzigten konfrontiert, ob es ihm passt oder nicht. Unausrottbar!
Ist heute in den religiösen Köpfen, die durchs Christentum gefiltert und beeinflusst sind, nicht oft die Vorstellung verbreitet, als wäre dieser Jesus in die Welt gekommen, um uns Beruhigungspillen zu verabreichen und Lösungen für unsere kleinen Probleme anzubieten? Und wie Kunden in unserer Gesellschaft gehen wir dann mit erhobenem Kopf an den Regalen der Religion vorbei und fragen: Was bietet uns denn Jesus? Brauchen wir ihn wirklich? Können wir nicht auch so klar kommen?
Dann müsste Jesus ganz schnell reagieren und wie ein Marketingchef überlegen, was er anbieten könnte, damit diese ach so modernen Zeitgenossen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts ihn noch attraktiv finden und „einkaufen“. Niemand sollte glauben, dass man so mit Jesus weiterkommt.
Oft ist es wie mit Simon. Wir haben ihn nicht gesucht, wir haben ihn nicht erwartet. Er hat uns nicht gepasst, er passt nicht in unsere Wünsche, nicht in unsere Probleme und schon gar nicht in die Art und Weise, wie wir unsere Probleme lösen möchten. Aber wir stoßen mit ihm zusammen, und das ist keine gute Begegnung. Es ist eine Begegnung, die uns innerlich verunsichert und alles schlimmer erscheinen lässt, als es früher war. Aber wir begegnen der Wahrheit.
Wenn wir sagen, das Kreuz ist Trumpf und der Gekreuzigte die Schlüsselfigur, dann heißt das: Wir bieten hier keinen Lückenbüßer-Gott an. Wir ertasten nicht, was Sie denn gerne möchten oder was Sie sich noch für Ihr Lebensprogramm vorstellen könnten. Können wir Jesus so passend machen, dass er auch noch darin unterzubringen ist? Nein, das ist nicht die Frage.
Gott stellt uns diesen gekreuzigten Jesus vor und konfrontiert uns mit der Wahrheit, dass der Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde nirgendwo anders zu treffen ist als allein in diesem gekreuzigten Jesus.
Wir haben uns ja durch eine lange Geschichte, durch eine Kunstgeschichte daran gewöhnt, das Kreuz so ästhetisch schön darzustellen, dass man es bewundert. Ich fürchte, hätten wir die Wirklichkeit des Kreuzes damals gesehen, hätten wir uns kaum der Übelkeit erwehren können, angesichts der schrecklichen Grausamkeit der Hinrichtung.
Und da zwingt uns Gott, konfrontiert uns und sagt: Wenn jemand mich will, wenn er wissen will, dass ich bin, wenn er wissen will, wer ich bin, hier ist der Begegnungstreffpunkt. Ihr könnt in euren Wünschen spazieren gehen, ihr könnt euch metaphysisch die Hirne verrenken, ihr könnt in den schönen religiösen Parks nach mir suchen. Aber ihr sollt wissen: Ich bin gekommen, um mich zu erkennen zu geben in der Tiefe des Sterbens und der Hingabe am Kreuz.
Simon von Quirini erfährt das am Freitagmorgen, viertel vor neun. Es ist ganz schrecklich. Er hat es nicht erwartet. Jeder in dieser Halle hat bessere Voraussetzungen Jesus gegenüber als Simon. Sie sind freiwillig gekommen, jeder von uns hat mehr Informationen über Jesus als dieser Simon. Und das Ganze wird locker und schön aufbereitet, geduldige Gespräche geführt. Da soll keiner überfahren werden. Es geht alles ganz anders als damals. Wir haben viel bessere Voraussetzungen.
Aber typisch ist doch: Dieser gekreuzigte Jesus konfrontiert uns mit der Wahrheit Gottes, ob sie uns passt oder nicht. Und in der Regel passt sie uns nicht. Sie passt am allerwenigsten den Religiösen.
Der rettende Tausch unter dem Kreuz
Der zweite Gesichtspunkt, den ich noch ansprechen möchte, ist, dass Simon einen rettenden Tausch erlebt.
Ich weiß nicht, wie viel Fantasie Sie haben, aber stellen Sie sich einen Augenblick vor, Sie wären in der Rolle dieses Mannes. Er kannte als Bürger des Römischen Reiches, mit – wir würden heute sagen – internationaler Erfahrung, die römische Praxis der Kreuzigung. Diese schreckliche, entehrende Hinrichtungsform war nur für Leute vorgesehen, die nicht das römische Bürgerrecht hatten.
Das Ritual war immer dasselbe: Nach der endgültigen Verkündigung des Todesurteils, wenn keine Möglichkeit mehr zur Begnadigung bestand, musste der zum Tode Verurteilte auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte den Querbalken des Kreuzes selbst schleppen.
Und plötzlich findet sich – das begreift Simon noch – dieser Simon unter diesem Querbalken wieder. Er wird vom Exekutionskommando der Soldaten vorwärtsgetrieben. Keiner hat ihm das erklärt, keiner hat ihm gesagt: „Nur 20 Meter, und dann nehmen wir dir den Balken wieder ab.“ In dem Durcheinander und der rohen Behandlung gab es keinerlei Rücksicht auf Simons Nerven.
Er findet sich plötzlich unter dem Hinrichtungsbalken wieder und wird zur Hinrichtungsstätte getrieben. In diesem Moment muss ihn der Albtraum überkommen haben: „Jetzt bringen sie mich um, jetzt hängen sie mich an dieses Kreuz!“
Und dann kommen sie an die Hinrichtungsstätte. Genau wie sie ihn ohne sein Einverständnis in dieses entsetzliche Geschehen hineingezogen haben, nehmen sie ihm nun den Balken von den Schultern und stoßen ihn zur Seite. Plötzlich tritt Simon überhaupt nicht mehr in Erscheinung. Wir hören kein Wort mehr von ihm.
Was hat er gemacht? Mich interessiert das sehr. Ist er stehen geblieben? Hat er weiter zugesehen? Hat jemand noch mit ihm gesprochen? Keine Silbe. Nur eins ist klar: Im nächsten Satz heißt es „Und sie kreuzigten ihn“ – gemeint ist Jesus.
Das wird nicht einmal ausdrücklich gesagt. Es heißt nur: „Sie zwangen Simon, das Kreuz zu tragen, sie brachten ihn zur Stätte Golgatha.“ In der deutschen Sprache ist dann schon nicht mehr ganz klar, ob jetzt Jesus oder Simon von Kyrene gemeint ist. Mein Deutschlehrer hätte sicher einen roten Strich am Rand gemacht, weil die Bezüge nicht ganz klar sind. Dann heißt es: „Und sie kreuzigten ihn.“ Da ist überhaupt nicht mehr klar, wer gemeint ist.
Aus der ganzen Geschichte geht aber deutlich hervor, dass Jesus am Kreuz hängt, nicht Simon.
Was für ein ungeheurer Vorgang! Simon erlebt, wie er selbst unter dem Hinrichtungsbalken ist, in der Situation des zum Tode Verurteilten. Und plötzlich wird ihm der Balken von der Schulter genommen, und Jesus wird drangenagelt.
Dieser Jesus muss seinen Tod sterben. Die Bibel ist wortkarg und erklärt nicht viel darüber, ob Simon etwas begriffen hat und was genau er begriffen hat. Aber er gehörte später zur Gemeinde des Jesus Christus. Er muss also verstanden haben, was da passiert ist.
Es ging nicht nur darum, dass er in dieser Kreuzigungsszene einen Albtraum hatte und glücklicherweise doch nicht selbst gekreuzigt wurde. Er musste unter diesem Kreuz begriffen haben: Das ist die Wahrheit. Es ist mein Kreuz. Ich gehöre dahin, unter das Todesurteil Gottes, der in seiner Heiligkeit zu meinem Leben Nein sagt, so wie ich lebe.
Dieses Entsetzliche, dass Gott Nein sagt zu mir, entdeckt er in diesem Augenblick. Gleichzeitig geht ein Licht an und sagt: Aber dieser Jesus, der Gerechte, trägt mein Todesurteil. Ich darf laufen, ich bin frei. Seinetwegen ist ein rettender Tausch passiert.
Das meint Paulus, wenn er sagt, dass es den Klugen wie Dummheit vorkommt, wenn wir vom gekreuzigten Jesus reden (1. Korinther 1,18). Den Religiösen, die immer nach großen spektakulären Taten suchen, erscheint es wie Versagen, wie Schwäche, wie Niederlage.
Wir aber haben erfahren: Es ist der Kraftakt, der rettende Kraftakt der Liebe Gottes, mit dem er das Todesurteil von meiner Schulter nimmt und auf die Schultern von Jesus legt. Jesus stirbt meinen Tod, und ich bin frei.
Die notwendige Erkenntnis für den Glauben
Zwei Dinge gehören dazu, um die Wirklichkeit zu erfahren, dass ein Mensch nicht länger verweigert, das Todesurteil Gottes über sein Leben anzuerkennen. Jawohl, das ist mein Platz! Ich sage Ihnen: Solange Sie reden wie so viele, die sich für christlich halten – Fehler haben wir alle, wir sind eben schwache Menschen, man bemüht sich, das Beste zu tun, Gott wird das schon würdigen, nicht wahr? Keiner kann ja über seinen Schatten springen – wie all diese selbstrechtfertigenden und entschuldigenden Redeweisen heißen –, solange wir noch vom guten Kern im Menschen schwätzen.
Solange wir nicht begriffen haben, dass wir im Licht der Heiligkeit Gottes, die am Kreuz offenbar wird, verloren sind – verloren in Zeit und Ewigkeit –, solange werden wir nichts, aber auch gar nichts begreifen von dem Kraftakt Gottes, der am Kreuz geschehen ist. Dass er das Gericht trägt und ich frei sein darf wegen Jesus, wegen dieses rettenden Tausches.
Was ich wirklich brauche in meinem Leben, weiß ich nicht schon von mir selbst aus. Was Simon wirklich brauchte als Rettendes in seinem Leben, ging ihm erst unter diesem Kreuz auf, als es passierte: die Rettungsaktion Gottes für ihn, dieser rettende Tausch. Da erst begreift er, wie gefährlich es um sein Leben stand im Angesicht der Heiligkeit Gottes, wie verkehrt und verloren sein Leben war. Da begreife ich mit ihm, was ich brauche.
Beides gehört zusammen. Eigentlich geht es auch nur so. Ich würde es gar nicht aushalten, zu erkennen, dass ich so hoffnungslos verloren bin, dass ich mir selber nicht mehr helfen kann und dass kein anderer Mensch mir mehr helfen kann. Ich würde es gar nicht annehmen können, ich würde es gar nicht sehen können, wenn ich nicht in dem Licht stünde, dass Gott schon die kräftige Rettungsaktion getan hat.
Aber jetzt kann ich es annehmen, und die Rettung wird gültig für mich. Sie wirkt sich aus, sie nimmt einen Mann wie den Simon hinein in die Gemeinschaft mit Gott und zieht Kreise in seiner Familie. Das ist ja das Unerhörteste: dass es nicht mehr nur unser kleines persönliches Leben berührt, sondern dass der Gekreuzigte so sehr die Mitte wird, so sehr der Sieg unseres Lebens wird, so sehr der Trumpf in unserem Leben ist, dass es anfängt, Kreise zu ziehen. Dass die Dinge und die Menschen, die mit mir leben, davon berührt werden.
Das heißt nicht, dass sie alle automatisch auch Ja zu Jesus sagen. Aber sie werden dazu eingeladen, und es ist wie ein Geschenk, das uns die Bibel in der Zeile noch berichtet: Alexander und Rufus, diese beiden jungen Männer in der Familie des Simon, begreifen, wer Jesus ist. Man kennt sie als Mitarbeiter in der Gemeinde des Jesus.
Die Herausforderung des Kreuzes für die Gegenwart
Was wäre das für eine Sache, wenn das, so wie es bei vielen passiert ist, bei noch mehr Menschen geschieht – bei Jungen und Alten –, dass das Kreuz dieses Jesus die Mitte unseres Lebens wird? Wenn ihnen die Schuppen von den Augen fallen und sie erschrocken entdecken, wie verloren sie sind. Und sie mit strahlender Freude und leeren Händen annehmen: Herr, ich danke dir, dass du meinen Platz einnimmst, ich danke dir für den rettenden Tausch.
Es gibt nur eine große Tragik des Christentums im Abendland, in Europa, in Deutschland: Wir haben das rettende Kreuz Jesu Christi verkommen lassen zum Schmuckstück im Dekolleté von Damen, zur Dekoration unserer Räume, wenn es unsere Äußerlichkeiten ziert. Als das Kennzeichen, als das Erkennungszeichen: Hier lebt jemand, hier ist jemand, für den dieser Gekreuzigte die Mitte, die rettende Mitte des Lebens geworden ist.
Dann will ich kein Wort sagen gegen die Zeichen des Kreuzes, die wir tragen und die wir machen. Aber wir werden an den Menschen schuldig, wenn wir den Gekreuzigten herausreißen und das Kreuz verkommen lassen zur Dekoration.
Machen wir uns nichts vor: Man ist nicht schon deshalb dabei, weil man in einer kirchlichen oder christlichen Veranstaltung auf einer Sitzgelegenheit Platz genommen hat. An diesem Kreuz scheiden sich die Geister. Für die einen ist es Unsinn und Torheit, und sie kommen so gut ohne diesen gekreuzigten Jesus aus. Für die anderen ist es ein Versagen, ein Zeichen von Schwäche. Und für wieder andere ist es die rettende Tat, in der Gott ihnen begegnet ist.
Jesus aber hängt am Kreuz und will für alle da sein. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben und hat von sich gesagt: Niemand kommt zum Vater außer durch mich.
Das Wunder des Heiligen Geistes ist, dass er uns das Licht anmacht und wir den gekreuzigten Jesus sehen – die Schlüsselfigur, durch die Gott die Tür zum Leben für uns öffnet.