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Wie können Spaltungen verhindert werden?

15.02.1998Römer 14,1-23

G e m e i n d e g r ü n d u n g N r . 5 8 , 2 / 9 9 14 Wie können Spaltungen verhindert werden? G E M E I N D E G e m e i n d e g r ü n d u n g N r . 5 8 , 2 / 9 9 15 Wilfried Plock, Mannheim Ich ermahne euch aber ... durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ... nicht Spaltungen unter euch seien."  1. KORINTHER 1,10»Aber ich glaube fest, daß wir die Gefahr von Spaltungen verringern können.« In der letzten Zeit bin ich im- mer wieder mit dem Problem von Spaltungen in Gemeinden kon- frontiert worden. Solange es Ge- meinde Jesu auf dieser Erde gibt, solange hat sie auch mit dieser Ge- fahr zu kämpfen. Die Bibel läßt keinen Zweifel daran: wo Gott wirkt, da macht sich auch der Teu- fel auf. Er ist es, der seit fast zwei- tausend Jahren Zwietracht und Spaltung in die Gemeinden bringt. Aber ich glaube fest, daß wir die Gefahr von Spaltungen verringern können. Freilich werden wir sie nicht ganz aus der Welt schaffen können. Aber wir können die Ge- fahr minimieren. William MacDo- nald nannte vor einigen Jahren in einem Vortrag in München wert- volle Grundsätze, die ich hier ger- ne aufgreifen möchte. DREI GRUNDKATEGORIEN Die gesamte Bibel ist Gottes inspiriertes Wort. Aber es ist eindeutig, dass nicht jede Aussage der Bi- bel die selbe Gewichtung hat. Das neutestamentliche Zeugnis der Auferstehung Jesu wiegt ganz gewiß schwerer als das Geschlechtsregi- ster des Esau im Alten Testament. Darum glaube ich, daß es weise ist, wenn William MacDonald die Aussagen der Bibel im Blick auf ihre Gewichtung in drei Grundka- tegorien einteilt.

  1. AUSSAGEN, DIE ABSOLUT FUNDAMENTAL UND GRUNDSÄTZLICH SIND Das sind Dinge, über die nicht verhandelt werden kann. Hier geht es um Grundlagen des christlichen Glaubens, die alle wahren Christen auf der Welt glauben. Wer diese fundamen- talen Aussagen leug- net, ist ein sektiereri- scher Mensch und ein Irrlehrer. Zu den Fundamen- ten des Glaubens gehö- ren zum Beispiel die Inspiration der gesam- ten Heiligen Schrift in ihren 66 Büchern, die Dreieinheit Gottes (vie- le falsche Sekten leug- nen die Dreieinheit), die absolute Gottheit und Menschheit des Herrn Jesus Christus (auch die wird von vielen Sekten geleugnet), der stellvertretende Tod, die Grab- legung und leibliche Auferstehung Jesu, die Errettung allein aus Gna- de durch den Glauben, die Wieder- kunft des Herrn Jesus und die ewi- ge Seligkeit der Erlösten und die ewige Bestrafung der Verlorenen. Das alles sind grundlegende, fun- damentale Lehren der Schrift und Glaubensinhalte der Christen. Was ihnen widerspricht, wurde eigent- lich seit der Reformation durch- gängig als Irrlehre bezeichnet. Diese fundamentalen Lehren der Schrift haben wir in unserer Mannheimer Gemeinde in den so- genannten Glaubensgrundsätzen" (eine Art von Glaubensbekenntnis, das die wichtigsten Lehrpunkte der Bibel abhandelt) zusammenge- faßt.
  2. WICHTIGE DINGE, DIE ABER NICHT FUNDAMENTAL SIND Diese Dinge sind wichtig; sonst würde sie die Bibel nicht lehren. Aber sie sind nicht fundamental. Das heißt: jemand der diese Dinge anders sieht oder anders prakti- ziert, ist trotzdem ein Kind Gottes und darum auch mein Bruder. Nehmen wir zum Beispiel die Taufe. Wir wissen alle, daß es in dieser Lehrfra- ge sehr unterschied- liche Sichtweisen gibt – vom extremen Sakramentalismus bei den Befürwortern der Säuglingstaufe bis zum extremen Baptismus auf der anderen Seite. Wie sichert man nun die Einheit der Gemeinde? Wie kann eine örtliche Gemeinde verhindern, daß es wegen der Tauf- frage zu einer Spaltung kommt? Zunächst sollten die Geschwi- ster, die eine Gemeinde gründen und aufbauen wollen die Bibel hinsichtlich dieses Themas gründ- lich studieren. Wenn sie erkennen, dass die Schrift die Taufe der Gläu- bigen durch Untertauchen lehrt, dann legen sie diese Sicht als Ge- meindelehre fest. Die Gemeinde Mannheim, Pirnaer Straße, zum Beispiel lehrt und praktiziert die biblische Taufe. Aber wir zwingen natürlich niemanden zur Taufe. Nur erwarten wir von allen Ge- schwistern, gleich ob sie verbindli- che Gemeindeglieder sind oder nicht, daß sie diese Lehr- meinung der Gemeinde re- spektieren und nicht dage- gen arbeiten – weder öf- fentlich noch im Stillen. Das könnte nämlich sonst die Einheit der Gemeinde zerstören. Ein weiteres Beispiele aus dieser zweiten Katego- rie ist die prophetische Lehre von der Zukunft (Eschatologie). Wir glauben in un- serer Gemeinde, dass der Herr Je- sus vor den Ereignissen der Trüb- salszeit zur Entrückung seiner Ge- meinde kommen wird. Das ist die Lehrauffassung unserer Gemeinde. Aber wir wissen, daß es wiederge- borene Christen gibt, die in diesem Punkt anders denken. Manche Gläu- bige meinen, die Entrückung ge- schehe in der Mitte der antichrist- lichen Trübsalszeit. Manche Chri- sten meinen sogar, die Entrückung sei erst am Ende der Drangsal. Auch im Blick auf die Stellung und Dienst der Frau in der Ge- meinde gibt es unterschiedliche G e m e i n d e g r ü n d u n g N r . 5 8 , 2 / 9 9 16 Wer ißt, der verachte den nicht, der nicht ißt; und wer nicht ißt, richte den nicht, der ißt. Denn Gott hat ihn aufgenommen."  RÖMER 14,3Sichtweisen in den christlichen Gemeinden. Ebenso verhält es sich mit den Gaben des Heiligen Gei- stes. Wir glauben, daß Gott seiner Gemeinde viele Geistesgaben ge- schenkt hat; im NT werden mehr als 20 Gaben genannt. Aber wir wissen auch, daß der Apostel Pau- lus in
    1. Kor. 13,8
    gelehrt hat, daß drei dieser Gaben aufhören wer- den. Darum halten wir dafür, daß die direkt-inspirierten Gaben Pro- phetie, Erkenntnis und Zun- genrede mit der vollendeten Zusammenstellung des NT aufgehört haben. Wir ma- chen diese Sicht nicht zum 'Schibbolet' des Christen- tums. Aber wir erwarten, daß diese Lehrauffassung der Gemeinde respektiert wird, und das niemand öf- fentlich oder im Verborge- nen dagegen arbeitet. Das könnte nämlich sonst leicht zu einer Spaltung führen. Auch in der Lehrfrage 'Scheidung und Wiederhei- rat' gibt es sehr verschiedene An- sichten unter Christen. Wir glau- ben, daß Gott grundsätzlich keine Scheidung will; und wenn sie doch geschehen ist, dann will er auf kei- nen Fall eine Wiederheirat. Das belegen eine Reihe von Bibelstel- len. Es gibt sicherlich noch wei- tere biblische Themen, die in diese zweite Kategorie gehören; aber wir wollen es jetzt dabei be- lassen. In unserer Mannheimer Ge- meinde stehen die Punkte dieser zweiten Kategorie nicht in unseren Glaubensgrundsätzen", sondern in unserer Gemeindeordnung". Sie sind nicht fundamental. Man darf niemanden, der sie anders sieht, als Irrlehrer bezeichnen. Aber wir halten sie für wichtig; und wir ha- ben die Schrift zu diesen Punkten studiert, und es hat sich eine Lehr- auffassung der Gemeinde gebildet, die nicht zementiert ist, aber doch solange gilt, bis uns jemand mit der Bibel in der Hand von einer anderen Sicht überzeugen kann. Wir erwarten übrigens in unserer Gemeinde von jedem Gemeinde- glied, die Anerkennung der Glau- bensgrundsätze und der Gemeinde- ordnung. Dieser Weg hat sich bis- her voll und ganz bewährt.
  3. DINGE, DIE NICHT WESENTLICH SIND Nach meiner Erkenntnis finden wir diese Dinge im 14. Kapitel des Römerbriefes beschrieben. Die Ge- meinde in Rom bestand aus einem Teil Judenchristen und einem Teil Heidenchristen. Da waren von der unterschiedlichen Prägung her Spannungen vorprogrammiert. Span- nungen entstanden und entstehen meistens dort, wo die Heilige Schrift keine klaren Aussagen macht. In der Bibel sind viele Dinge geboten oder verboten, aber es gibt durch- aus Bereiche, welche die Bibel of- fen läßt. Hier müssen Christen Wie können Spaltungen verhindert werden? nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Damals in Rom fragten die Christen zum Beispiel, ob sie Fleisch essen durften oder nicht; denn alles auf dem Markt erhältli- che Fleisch war zuvor irgendwel- chen Göttern geopfert worden. Sollten bestimmte Tage (alttesta- mentliche Feiertage) gehalten wer- den oder nicht? Durften Gläubige Wein trinken oder nicht? usw. In unserer heutigen Gesellschaft führen andere Fragen zum Streit. Dürfen Christen am Sonntag bü- geln oder nicht, Blutwurst essen oder nicht, muss beim Abendmahl Wein verwendet werden oder kann es auch Saft sein? Dürfen christli- che Ehepaare Verhütungsmittel ge- brauchen oder nicht? Erkenntnisse und Prinzipien Erkenntnisse und Prinzipien Erkenntnisse und Prinzipien Erkenntnisse und Prinzipien Erkenntnisse und Prinzipien aus Röm. 14aus Röm. 14aus Röm. 14aus Röm. 14aus Röm. 14 a) Gläubige haben unterschied- lich geprägte Gewissen (14,1-2). Paulus spricht von 'Schwachen im Glauben'. Das heißt nicht, körper- lich oder seelisch schwach sein. Es bedeutet auch nicht geistlich schwach sein. Schwache sind Men- schen, die in gewissem Sinn über- ängstlich sind. Starke hingegen meint in diesem Zusammenhang Menschen mit weiterem, freien Gewissen. Allerdings gibt es keines von beiden in Reinkultur. Christen haben unterschiedlich geprägte Gewissen. b) Jeder Gläubige steht und fällt seinem Herrn (14,4). Ich brauche zunächst einmal nicht nach dem Gewissen mei- nes Bruders zu leben, und meine Schwester lebt nicht nach meinem. Jeder steht vor dem Herrn, der uns alle mit seinem Blut erkauft hat. Er kennt mich und liebt mich. Er weiß auch um die Prä- gung meines Gewissens. Vor ihm lebe ich, und von ihm werde ich einmal be- urteilt (14,10-12). Vor dem Richterstuhl des Christus wird es nicht um meine Errettung gehen, sondern um mein Leben als Christ, meine Motive und mein Dienst. Jeder Christ steht und fällt seinem Herrn ..." ist für mich eine ungeheuer tröstliche Aussage. G e m e i n d e g r ü n d u n g N r . 5 8 , 2 / 9 9 17 c) Jede Gewissensprägung ist mit einer Gefahr verbunden (14,3+10). Der Starke ist in Gefahr, den Schwachen zu verachten. Was, du trinkst keinen Wein? Komm, stell dich doch nicht so an! Ein Gläschen in Ehren ..." Auf den anderen herab schauen ist Sünde. Der Schwache hingegen ist in Gefahr, den Starken in seiner Freiheit zu richten. Was, du nennst dich Christ und trinkst Alkohol? Weißt du denn nicht, was das für ein Teufelszeug ist?" Den Bruder, der freier denkt und lebt, zu richten ist ebenfalls Sünde. Beide sollen wissen: Christus hat den anderen angenommen! Nun gilt es, ihn auch anzunehmen, wie er ist (15,7). d) Im Konfliktfall soll der Starke dem Schwachen entgegenkommen (14,19-22). Wenn der Schwache mit seinem engen Gewissen den Starken Fleisch essen oder Wein trinken sieht, so kann ihn das aus der Bahn werfen. Wenn nämlich der Schwache gegen sein eigenes enges Gewissen Fleisch ißt oder Wein trinkt, kommt er in große in- nere Konflikte. Es kann ihm zur Sünde oder sogar zum Verderben werden. Das muß der Starke dann wegen seiner Lieblosigkeit mitver- antworten (14,23). Darum soll der Starke auf den Schwachen Rück- sicht nehmen. Das heißt in der Praxis, neben dem Schwachen nicht auf die eigene Stärke und Freiheit zu pochen, sondern um seiner Schwachheit willen aus Liebe zu verzich- ten (14,21-22). Der edelste Charakter der Freiheit besteht dar- in, aus Liebe zum an- deren auf meine Frei- heit zu verzichten. Je- mand sagte: Zu mir selbst will ich ein Herz haben wie ein Nadel- öhr, aber zu anderen wie ein Scheunentor." e) In der Gemeinde Jesu steht grundsätzlich die Liebe über der Erkenntnis (1.Kor.13,2). Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß und wenn ich allen Glauben habe, so daß ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts." Das geistliche Ziel in der Gemein- de ist die gelebte Jesus-Art (14,13; 15,2-3). SCHLUSSGEDANKEN Wir haben die Aussagen der Schrift im Blick auf ihre Bedeu- tung in drei Kategorien eingeteilt. Es gibt Aussagen in der Schrift mit fundamentalem Charakter. Über diese Dinge dürfen wir nicht strei- ten; ja, wir dürfen nicht einmal darüber verhandeln. Gott hat in seinem Wort gesprochen, und wir beugen uns darunter. Punkt. Dann gibt es Dinge, die sind wichtig. Und es wäre gut, wenn wir auch in diesen wichtigen Dingen so nah wie möglich am Wort Got- tes bleiben wollen. William Mac- Donald sagte: Wenn ich schon irre, dann möchte ich so nah wie möglich am Wort Gottes vorbei irren." Schließlich gibt es noch Dinge, die von ihrer Gewichtung her nicht wesentlich sind. Um wieviel Uhr der Gottesdienst beginnt, ist nicht wesentlich. Daß er beginnt, und daß der Herr gegenwärtig ist, und daß ich offen bin für sein Reden und bereit bin, ihm und den Ge- schwistern zu dienen, das alles ist viel wichtiger. Ob wir Wein oder Saft beim Brotbrechen verwenden, ob wir aus einem Kelch trinken oder aus mehreren, das alles ist un- wesentlich. Aber daß wir den Sieg des Herrn verkündigen, wenn wir von dem Kelch trinken, und daß wir in einer Haltung der Anbetung dabei sind am Tisch des Herrn, das ist wirklich wichtig. Laßt uns alle miteinander be- strebt sein, Spaltungen zu verhü- ten und viel mehr die Einigkeit zu bewahren durch das Band des Frie- dens. »In der Gemeinde Jesu steht grundsätz- lich die Liebe über der Erkenntnis.« (1.Kor.13,2)