Vertrauen
Vertrauen ist wichtig, Vertrauen ist lebensnotwendig, Vertrauen ist der Sauerstoff des Lebens, liebe Gemeinde.
Das wusste zum Beispiel Isai. Dieser Vater in Bethlehem hatte viele Kinder. Acht Söhne und sicher ebenso viele Töchter trugen seinen Namen. Eine kinderreiche Familie war es, diese Familie Isai. Aber nicht alle lebten daheim. Einige waren mit Pack und Sack losgezogen. Eliab, Abinadab und Schamma standen im Kampf gegen die Philister. Wieder einmal waren die feindlichen Haufen über die Grenze gerückt und bedrohten das Existenzrecht Israels. Aber im Gegensatz den zu den vorangehenden Scharmützeln war es diesmal ein Krieg um Sein oder Nichtsein. Der Erzfeind hatte nämlich den Goliat mitgebracht, diesen marschierenden Muskelberg, diese lebendige Superwaffe, diese fürchterliche Haubitze aus Eisen und Leder. Zweimal am Tag ging sie in Stellung und feuerte bereits ihre Hohn- und Hasssalven ab, dass den israelitischen Infanteristen der Schreck nur so in die Knochen fuhr. Allen entfiel das Herz, berichtet die Bibel. Und das spürte der Vater. Die Söhne könnten sich verlassen vorkommen. Die Söhne könnten an seiner Liebe zweifeln. Die Söhne könnten ihr Vertrauen wegwerfen. Deshalb machte sich Isai daran, seinen Kindern ein Zeichen seiner Liebe zu schicken. Und was war das? Schickte er vielleicht einen schönen Gruß von Bethlehem? Schickte er vielleicht einen lieben Brief vom Vaterhaus? Schickte er vielleicht ein paar nette Blümchen aus der Heimat? Isai schickte seinen Sohn. Er riss sich den Liebsten vom Herzen. Der Geliebte wurde in Marsch gesetzt. David war die vertrauensbildende Maßnahme Isais. An ihm sollten sie sehen, dass der Vater sie nicht vergessen hat. Von ihm sollten sie hören, dass der Vater sie immer neu liebt. Durch ihn sollen sie neues Vertrauen gewinnen, denn Vertrauen ist wichtig. Vertrauen ist lebensnotwendig. Vertrauen ist der Sauerstoff des Lebens.
Das wusste Isai - und das weiß Gott auch. Dieser Vater im Himmel hat viele Kinder. Unzählige Söhne und Tochter tragen seinen Namen. Eine kinderreiche Familie ist es, diese familia dei, diese Familie Gottes. Aber nicht alle leben daheim. Viele sind mit Sack und Pack losgezogen. Alte und Junge stehen im Kampf gegen den Bösen. Immer wieder rücken seine feindlichen Haufen über die Grenze und bedrohen das Existenzrecht seines Volkes. Goliats aus Fleisch und Blut und Goliats aus Eisen und Stahl verbreiten Angst und Schrecken. Zu vielen zittert das Herz, oder ist gar allen das Herz entfallen? Das spürt der Vater. Seine Kinder könnten sich verlassen vorkommen. Seine Kinder könnten an seiner Liebe zweifeln. Seine Kinder könnten ihr Vertrauen wegwerfen. Deshalb macht sich Gott daran, seinen Kindern ein Zeichen seiner Liebe zu schicken. Und was ist das? Kein schöner Gruß vom Himmel, kein lieber Brief vom Vaterhaus, keine netten Blümchen aus der Heimat. Gott schickt seinen Sohn. Er reißt sich den Liebsten vom Herzen. Der Geliebte wird in Marsch gesetzt. Jesus ist die vertrauensbildende Maßnahme Gottes. An ihm sollen wir sehen, dass der Vater uns nicht vergessen hat. "Ich will dich nicht vergessen". Diese Gottesverheißung ist wahr. Durch ihn [Jesus] sollen wir hören, dass der Vater uns immer neu liebt. "Ich habe dich je und je geliebt". Diese Gottesverheißung ist richtig. Alle Gottesverheißungen sind ja in ihm. Durch ihn sollen wir neues Vertrauen gewinnen, denn Vertrauen ist wichtig. Vertrauen ist lebensnotwendig. Vertrauen ist der Sauerstoff des Lebens, und zwar zwischen Gott und uns und untereinander. Beides gehört unabdingbar zusammen. Leider hapert es aber an diesem vertrauensvollen Miteinander unter uns und deshalb legt Jesus in der Bergpredigt genau darauf seinen Finger.
1. Das Vertrauen ist gestört
So sagen es Eheleute von ihrer Ehe. Damals war es ganz anders. Am Traualtar wurde er gefragt: Willst du ihr treu bleiben, bis der Tod euch scheidet? Darauf hat er Ja gesagt, ein klares, deutliches, unüberhörbares Ja. Man war ein Herz und eine Seele. Man war ein Kuchen und ein Mus. Man war aus eins plus eins nicht zwei, sondern eins geworden. Und dann kam er immer später nach Hause und versteckte sich hinter der Zeitung. Und dann erzählte sie nichts mehr von ihrem Ergehen während des Tages und verzog sich ins Bügelzimmer. Und dann wurden die gemeinsamen Stunden am Abend oder am Wochenende immer quälender.
Das Vertrauen ist gestört, sagen es Eheleute von ihrer Ehe, und sagen es Eltern von ihrer Familie. Damals war es ganz anders. Aus dem Kinderzimmer drang fröhliches Geschrei. Mit jedem noch so winzigen Wehwehchen kamen sie gerannt und vertrauten der elterlichen Heilkunst. Ihre Herzen waren wie weit geöffnete Scheunentore, durch die jeder hindurchspazieren konnte. Und dann gingen die Tore zu. Und dann er starb das muntere Familiengespräch. Und dann ging eben jeder seines Weges.
Das Vertrauen ist gestört, sagen die Eltern von ihrer Familie, oder sagen es Leute von ihrem Geschäft. Damals war es ganz anders. Der Chef nahm mich freundlich auf. Er freute sich an meiner pünktlichen Art. Bei vielen Fragen zog er mich ins Vertrauen. Und dann wurde er wie zugeknöpft. Und besprach er sich mit der Kollegin. Und dann wollte er mich am liebsten loshaben. Das Vertrauen ist gestört, sagen viele.
Warum? Warum ist das so? Warum ist in so viel Beziehungen der Wurm drin und das Vertrauen in die Brüche gegangen? Jesus sagt, weil der Böse, der Durcheinanderbringer auch Ja und Nein durcheinandergebracht hat. Diese Mischung von Ja und Nein, dieser Teig von "Ja, aber" und "Nein, doch", dieses Tutti frutti von halben Wahrheiten und ganzen Lügen wirkt zerstörerisch. Ein verlogenes Leben ist ein verlorenes Leben. Warum hat der Mann seiner Frau dieses Techtelmechtel im Büro verschwiegen, sie mit sogenannten differenzierten Wahrheiten hinters Licht geführt und damit das Vertrauen in der Ehe untergraben? Warum hat der Sohn seinen Eltern diese dumme Angelegenheit vorenthalten, sie mit durchsichtigen Ausreden abgespeist und damit das Vertrauen in der Familie mit Füßen getreten? Warum hat der Chef von seiner Sekretärin frisierte Rechnungen und halbwahre Briefe verlangt, sie zu täglichen Unwahrhaftigkeiten gezwungen und damit das Vertrauen im Geschäft am Boden zerstört? Vertrauen und Wahrheit sind Geschwister. Eins ist ohne das andere nicht zu haben. Wo wir uns in die eigene Tasche lügen, wo wir mit Notlügen die Sache retten wollen, wo wir die Teilwahrheit als Schutzmantel des eigenen Interesses verwenden, wo wir andere hinters Licht führen oder über die Ohren schlagen wollen, dort ist das Vertrauen gestört. Weil aber Vertrauen wichtig, weil Vertrauen lebensnotwendig, weil Vertrauen der Sauerstoff des Lebens ist, deshalb ist das Zweite zu beobachten:
2. Das Vertrauen wird gesucht ...
... von Eheleuten, die herauswollen aus dieser quälenden Zweierschaft, von Eltern, die herauswollen aus diesen stumm gewordenen Familien, von Angestellten, die herauswollen aus der Stickluft der Lüge. Die Wahrheit muss wieder her, die Klarheit muss wieder regieren, die Eindeutigkeit muss wieder auf den Schild gehoben werden, Ja muss wieder Ja und Nein muss wieder Nein bedeuten, aber wie?
Findige Leute stießen auf den Schwur. Der Schwur soll der Wahrheit beispringen. Der Schwur soll der Wahrheit auf die Sprünge helfen. Der Schwur soll Wahrheit zur Wahrheit machen. So wurde geschworen: Ich schwöre dir bei dem Himmel, ich schwöre dir bei der Erde, ich schwöre dir bei der Stadt. Dabei ist es geblieben: Ich schwöre dir es bei meinem Kopf, ich schwöre dir es bei meinem Leben, ich schwöre dir es beim Bart des Propheten. Der Schwur als Krücke der Wahrheit. Sicher braucht der Staat den Schwur, weil er der gefallenen Welt Rechnung trägt und mit dem Schwurwort oder der Eidesformel einen Damm gegen das Böse aufrichtet. Auch Christen müssen sich nach Römer darunterstellen und können nicht mit George Fox, dem Gründer der Quäkergemeinschaft, jede Eidesformel vor weltlichen Institutionen ablehnen. Aber Christen untereinander brauchen keinen Schwur. Hinter dem Schwören steckt immer das Misstrauen. Gott wird als Zeuge degradiert und vor den eigenen Karren gespannt. Sicher sollen wir ihn in allen Nöten anrufen, aber nicht bei allen Schwüren herbeirufen.
Einmal wurde ich als Zeuge geladen. Der Richter bat mich in den Zeugenstand. Der Staatsanwalt schaltete sich in die Zeugenvernehmung ein. Der Anwalt nahm mich ins Kreuzverhör: Sagen Sie? Sprechen Sie? Schwören Sie? Jede Frage trieb mich weiter in die Enge. Schließlich stand ich mit dem Rücken zur Wand. Und das ist das Bild, das wir uns von Gott zurechtmachen. Wir bitten Gott in den Zeugenstand. Andere schalten sich in die Zeugenvernehmung ein. Und die Dritten nahmen ihn sogar ins Kreuzverhör: Sag doch! Sprich doch! Was für ein Gott, den wir in die Enge treiben und schließlich an die Wand stellen! Er ist der Richter, der Souveräne und Unverfügbare, den wir nicht als unseren Zeugen zitieren können. Ich bin, der ich bin, sagt der majestätische Gott, und ihr seid, wer ihr seid, nämlich Menschen, deren Ja ein Ja und deren Nein ein Nein sein soll. Alles andere ist vom Bösen. Suchen wir bitte diesen Gegenspieler Gottes nicht nur bei okkulten Praktiken, die heute unter Schülern Einzug halten, nicht nur bei Satansmessen, die von jungen Leuten zelebriert werden, nicht nur bei esoterischen Zirkeln, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Eine Tageszeitung hatte schon recht, wenn sie berichtete: "Der Aufstand der Magier gegen die Welt der Technik hat begonnen." Suchen wir den Bösen ohne Hörner und Pferdefuß auch und vor allem in unserem Haus, in unserer Familie, in unserer Ehe, denn wo Ja gesagt und Nein gemeint wird, dort ist der Teufel los. Er aber ist der Erzfeind des Vertrauens.
Vertrauen jedoch ist wichtig. Vertrauen ist lebensnotwendig. Vertrauen ist der Sauerstoff des Lebens, deshalb ...
3. Das Vertrauen muss geschenkt werden
Keiner kann es erwerben, so wie man ein Guthaben erwerben kam. Niemand kann es einfordern, so wie man eine Schuld einfordern kann. Alle müssen darum bitten, aber nicht der Mann die Frau, die Frau den Mann, der Sohn die Eltern, die Eltern den Sohn, der Chef die Angestellte, die Angestellte den Chef: Schenk mir bitte, bitte wieder das Vertrauen. Wir können das nicht. Jeder muss sich an die Adresse des Bergpredigers selbst wenden. Jesus gibt Vertrauen, weil er Wahrheit gibt. Jesus schenkt Vertrauen, weil er Wahrheit schenkt. Jesus ist das Vertrauen, weil er die Wahrheit ist. "Ich bin die Wahrheit", sagt er.
Obwohl ich keinen Satz Russisch kann, habe ich gelernt, dass es in der russischen Sprache zwei Worte für Wahrheit gibt. Die Feststellung etwa: Ich kenne dich, das ist wahr, heißt "prawda", aber die Feststellung: Ich liebe dich, das ist wahr, heißt "istina". Wenn Jesus für mich nur ein bekannter Name ist, wenn Jesus für mich nur eine religiöse Chiffre ist, wenn Jesus für mich nur "prawda" ist, dann kann ich auch keine Veränderungen in meinen gespannten Verhältnissen erwarten. Wenn aber Jesus für mich der Herr ist, wenn Jesus für mich der Heiland geworden ist, wenn Jesus für mich istina ist, dann lebe ich in neuer Beziehung zu ihm und zu denen, die mir zugeordnet sind. Warum tun wir so, als ob angeschlagene Ehen, schwierige Familien, unerträgliche Berufsplätze unser Schicksal seien? Dieser Herr will es heute Morgen wieder jedem persönlich sagen: Ich kenne dich, ich mag dich, ich lieb dich brutto, so wie du bist, istina, eine neue Beziehung kann zwischen uns wachsen. Sollte ich jetzt nicht zu meinem Mann oder zu meiner Frau gehen und ihr auch sagen: Ich lieb dich, istina, ein neuer Anfang kann gewagt werden. Sollte ich jetzt nicht zu meinem Sohn oder zu meiner Tochter gehen und das Gespräch suchen: Ich mag dich, istina, ein neues Miteinander kann möglich sein? Sollte ich jetzt nicht zu meinem Chef oder meiner Untergebenen gehen und sagen: Ich schätze Sie, istina, ein neues Verhältnis in Wahrheit könnte die Zusammenarbeit zur Freude machen?
Wir müssen nicht in Gedanken an daheim oder an unser Geschäft beschwerten Herzens unseres Weges ziehen. Jesus ist die vertrauensbildende Maßnahme Gottes. Er sagt Ja zu uns, damit wir auch wieder Ja sagen können, denn Vertrauen ist wichtig. Vertrauen ist lebensnotwendig. Vertrauen ist der Sauerstoff des Lebens.
Amen
[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]