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Ein verschwenderisches Fest

Das Johannes-Evangelium [CGH], Teil 3/4
24.08.2025
SERIE - Teil 3 / 4Das Johannes-Evangelium [CGH]

Erinnerungen an besondere Feste und ihre Bedeutung

Schönen guten Morgen, schön, dass ihr da seid. Ich glaube, ihr hört mich noch nicht. Nee, also ja, aber nicht über das Mikrofon. Jetzt klingt das besser, und dann muss ich auch nicht so laut reden, das freut mich.

Vor gut zwanzig Jahren – ich habe schicksalhafterweise festgestellt, dass es wirklich zwanzig Jahre her ist – habe ich Ende Juni, Anfang Juli, spontan eine Einladung zu einer Hochzeit bekommen. Es war von einem jungen, damals verliebten, verlobten, aber noch nicht verheirateten Pärchen.

Für alle, die im Gemeindekontext aufwachsen oder eine größere Familie haben, sind Hochzeiten und Hochzeitsfeiern wahrscheinlich etwas Alltägliches. Für mich war das damals eher etwas Besonderes, weil ich nicht so den Gemeindekontext hatte.

Das war die erste Hochzeit, bei der junge Leute in einem ähnlichen Alter geheiratet haben. Der erste Weg nach der Einladung führte mich tatsächlich zu einem Anzugkauf. Damals haben sich die Männer noch schick gemacht bei der Hochzeit, und die Hosen gingen auch über die Knöchel.

Nein, ich will über keine Modetrends reden, keine Sorge. Aber ich musste erst einmal einen Anzug kaufen. Die Feier fand, wenn ich es richtig habe, am 6. August 2005 statt. Ich habe die super schöne Erinnerung daran: Ich fand die Location toll, das Essen war großartig, und die Feier insgesamt hat mir sehr gefallen.

So sehr, dass ich sieben Jahre später an demselben Ort geheiratet habe, weil ich mir dachte: Das ist klasse. Eigentlich könnte man jetzt feiern, dass hier einige Paare zwanzig Jahre Ehe hinter sich haben. Leider sind sie heute nicht da, aber damals waren es Imitabea, die mittlerweile ihren zwanzigsten Hochzeitstag gefeiert haben.

Warum erzähle ich euch das und erinnere an so ein Fest? Weil ich mich selber gern daran zurückerinnere. Irgendwie ist das noch eingebrannt als eine schöne Feier. Und weil ich gute Feste mag, vor allem, wenn es einen guten Grund gibt zu feiern.

Ich liebe es, mit netten Menschen zusammen zu sein. Ich mag gutes Essen. Der Grund, warum ich Sport mache, ist eigentlich nur, damit ich mehr essen kann. Ich mag gute Laune, wenn man zusammen ist, wenn man den Alltag hinter sich lassen kann. Und ich freue mich einfach darüber.

Es gibt nur ein Problem: Jede Feier ist irgendwann zu Ende. Das ist schon mal das größte Problem an allen Festen, die ich bisher erlebt habe. Irgendwann ist es vorbei. Man kann sich zwanzig Jahre später noch freudig daran zurückerinnern und sagen: Ach, das war ein schöner Tag damals. Aber vorbei.

Dann gibt es noch andere Dinge. Das haben wir bei unserer eigenen Hochzeit erlebt: Wir hätten gerne die Trauung draußen gemacht. Am Tag vorher war super Wetter, am Tag danach auch. Aber an dem Tag selbst war das Wetter eher nicht geeignet für eine Trauung im Freien.

Manchmal fällt ein Fest also buchstäblich ins Wasser. Manchmal gibt es auch Leute, die auf so einer Feier die Stimmung kaputtmachen. Das habt ihr vielleicht auch schon erlebt. Darüber redet man jetzt nicht so gern, aber ja, manchmal scheitert es an den Teilnehmern.

Manfred Siebert hat das schon gewusst: Wir Deutschen sind die Meckerer. Wir finden eigentlich immer etwas zum Meckern, warum so ein Fest nicht perfekt ist, warum es nicht schön oder toll ist.

Trotzdem suche ich irgendwie die wahre Festfreude – das perfekte Fest, bei dem man mit tollen Leuten zusammen ist, gutes Essen genießt und das am besten nicht mehr aufhört.

Vielleicht geht es dir ähnlich. Vielleicht feierst du ganz gern. Ich weiß, es gibt auch einige Geburtstagmuffel, Hochzeitsmuffel und Ähnliches, weil die nervige Verwandtschaft dabei ist, man hingehen muss, alle einladen muss, ein runder Geburtstag ansteht und man irgendetwas machen muss.

Aber ich bin überzeugt, dass jeder irgendwie seinen Weg hat, wie er gerne feiert. Vielleicht ist es eher so, dass du mit deinem Ehepartner, mit Geschwistern oder so irgendwo entspannt unterwegs bist und einen schönen Tag in der Natur genießt.

Vielleicht ist Feiern für dich sogar, ganz alleine irgendwo weg zu sein. Mit mehr Kindern und älter werden bekommt man gewisse Sympathien dafür, so einen Tag einfach mal auszuruhen.

Ich glaube, jeder von uns hat irgendwie etwas, worüber er sich freut und wie er gerne feiert. Und wenn es vielleicht nur der verdiente Feierabend ist für die geleistete Arbeit, für die Leistung, die man gebracht hat, die Belohnung.

Ich glaube, jeder von uns hat die Sehnsucht, aus dem Alltag auszubrechen und zu feiern.

Zwei Wege auf der Suche nach der wahren Feier

Wir wollen uns heute zwei Personen ansehen, die auf der Suche nach der perfekten Party waren – oder wie ich es nenne, dem Partywahnsinn. Dabei sind sie ganz unterschiedliche Wege gegangen, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Höhepunkt der Geschichte ist, dass einer das Fest – und ich nenne es wirklich Party – genau dort findet, wo er es überhaupt nicht erwartet hat. Der andere hingegen findet es vielleicht nie.

Außerdem werden wir sehen, und das wissen wir alle, dass jede Feier von ihrem Gastgeber abhängt. Ihr kennt sicher Leute, von denen ihr eine Einladung bekommt und dann nur denkt: „Geht mal, halt mal hin.“ Und ihr habt wahrscheinlich auch Leute, von denen ihr euch freut, wenn ihr eine Einladung bekommt, und gerne hingeht.

Ja, jede Feier steht und fällt mit demjenigen, der sie veranstaltet. Die gute Nachricht ist: Die Feier, über die wir heute sprechen und die wir uns anschauen, wird von jemandem veranstaltet, der der perfekte Gastgeber ist. Am Ende haben wir sogar noch einen Termin mit ihm, um ihn kennenzulernen.

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Ein erster Blick

Schlagen wir gemeinsam Lukas 15 auf, ein ganz bekanntes Gleichnis, und zwar Lukas 15,11-16. Und falls jemand hier vorne auf Johannes gehofft hat: Das ist eine Feriensonder-Edition, heute gibt es ein Extra-Thema, nämlich Lukas 15 ab Vers 11.

Jesus fuhr fort: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere sagte zu seinem Vater: „Vater, gib mir den Anteil am Erbe, der mir zusteht.“ Daraufhin teilte der Vater das Vermögen unter die beiden Söhne auf. Wenig später verkaufte der jüngere Sohn seinen ganzen Anteil und zog mit dem Erlös in ein fernes Land. Dort lebte er in Saus und Braus und brachte sein Vermögen durch.

Als er alles aufgebraucht hatte, wurde jenes Land von einer großen Hungersnot heimgesucht. Auch er geriet in Schwierigkeiten. In seiner Not wandte er sich an einen Bürger des Landes. Dieser schickte ihn zum Schweinehüten auf seine Felder. Der junge Mann wäre froh gewesen, wenn er seinen Hunger mit den Schoten, die die Schweine fraßen, hätte stillen dürfen. Doch selbst davon wollte ihm keiner etwas geben.

Ihr kennt die Geschichte, und deswegen lesen wir viel zu locker darüber hinweg, da bin ich mir sicher. Wir sehen gar nicht mehr den Skandal, der hier in den ersten Versen steckt. Denn was der jüngere Sohn will, ist das Erbe jetzt und sofort. Normalerweise erbt man erst, wenn der Vater gestorben ist. Das ist in der Regel der Zeitpunkt, an dem man das Erbe erhält.

Was der Junge hier zum Ausdruck bringt, war in der damaligen Zeit noch viel gravierender als heute. Heute ist es ja durchaus üblich, dass ein Haus oder ein Geschäft schon zu Lebzeiten überschrieben wird. Damals war das anders: Erst wenn der Vater tot und unter der Erde war, gehörte das Vermögen dem Sohn. Davor nicht.

Der Jüngere sagt seinem Vater also im Grunde: „Am liebsten wäre mir, du wärst schon tot, damit ich deine Kohle hätte und das Leben genießen kann.“ Das ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht eines jeden Vaters. Was der Sohn hier tut, zeigt, dass ihm der Vater ziemlich wenig wert ist. Das Einzige, was ihm am Vater wichtig ist, ist das Vermögen, das er besitzt.

Wenn wir das Gleichnis im Ganzen lesen, sehen wir, dass der Vater wahrscheinlich wirklich wohlhabend war. Der Junge ist zwar froh, in der Familie zu sein, aber nicht wegen der Verwandtschaft, sondern wegen des Geldes, das sie hat. Und ja, das passiert auch heute immer wieder: Wer viel Geld hat, hat viele Leute, die gerne mit ihm befreundet sein wollen – aber vielleicht nicht wegen seiner Person, sondern wegen des Geldes.

Der junge Mann macht sein Erbe schnell zu Geld. Wahrscheinlich waren das eher Felder, Ländereien und Ähnliches. Er sieht das Ganze nicht als Investment, sondern als schnelles Geld. Vielleicht verkauft er sogar zu einem schlechten Preis, nur um Party zu machen und das Leben genießen zu können. Das ist offene Rebellion gegen alle Traditionen, gegen seinen Vater, gegen alles, was irgendwie Sinn macht.

Und der Vater lässt ihn ziehen. Das ist eigentlich schon das erste Erstaunliche. Die Zuhörer Jesu hätten vielleicht erwartet, dass es anders weitergeht: Der Jüngere bittet um das Erbe, der Vater reagiert wütend und verpasst ihm eine Strafe. Das wäre doch die „gute biblische“ Reaktion gewesen. Aber der Vater reagiert ganz anders: Er lässt ihn gehen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Vater sehr traurig darüber war. Vielleicht brachte das auch Schande mit sich: „Oh, der hat seine Kinder nicht unter Kontrolle“, so etwas in der Art. Und wir sind sehr schnell dabei, unser Urteil über den Sohn zu fällen, der sein Erbe durchbringt. Wir kennen die Hintergründe nicht, aber vielleicht sind sie gar nicht so weit von unserer Zeit entfernt.

Unser Leben ist kurz, und morgen sind wir alle tot. Also lasst uns möglichst viel mitnehmen – so klingt das Lebensmotto vieler heute. Das muss nicht unbedingt ein Partyleben sein, wie bei dem jungen Mann, der es mit Huren und Sauferei durchbringt. Aber vielleicht wenigstens schöne Urlaube und das Leben möglichst genießen. Wir arbeiten, um zu leben, und leben nicht, um zu arbeiten.

Das passt eigentlich gut in unsere Zeit. Wir wollen möglichst viel Genuss in unserem kurzen Leben haben. Wir rennen fast wie ein Hamster im Hamsterrad, um möglichst viel zu erreichen und zu erleben. Und ja, der Plan des jungen Mannes geht erst einmal auf: Er feiert ausgiebig. Vielleicht war er in Monaco oder wo auch immer, lebte das Jet-Set-Leben seiner Zeit, fuhr auf einem schönen Boot – ihr kennt diese Bilder, die viele Sehnsucht wecken: „Boah, so ein Leben hätte ich auch gern!“ Hollywood-Millionäre und Ähnliches, auf der Yacht liegen fünf hübsche Frauen im Arm.

Das ist es doch, was viele wollen. Warum funktioniert Instagram? Weil jeder Sehnsucht hat nach so einem Leben, weil jeder Sehnsucht hat nach der Sonnenseite des Lebens. Weil viele ihr ganzes Leben nur danach leben und danach streben, solche Dinge zu besitzen und zu genießen.

Wir sind viel näher bei dem jungen Mann, als wir vielleicht zugeben wollen. Aber wir sind auch auf der Schattenseite oft viel näher bei ihm, als wir es uns vorstellen können.

Jesus lässt ihn richtig tief hineinlaufen. Schweinehirte! Etwas Entwürdigenderes gab es für die Juden damals nicht. Schweine waren die unreinen Tiere schlechthin. Dort landet er, im Dreck, ganz unten. Das ist etwa so, als würdest du als Toilettenreiniger arbeiten müssen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Ganz unten.

Die große Ernüchterung kommt: „Lasst uns feiern, morgen sind wir alle tot!“ Nicht einmal das Essen, das man den unreinsten Tieren, den Schweinen, gab, stand ihm zu. Er wurde schlechter behandelt als die Tiere, um die sich keiner kümmerte.

Ich bin mir sicher, der Kater, mit dem er aufwachte, war ziemlich heftig, und er war ziemlich am Ende. Er bleibt leer und kalt zurück.

Und ja, ich weiß, hier sind nicht die großen Partytypen, die mit dickem Alkoholpegel am nächsten Tag aufwachen. Aber wie viele deiner Urlaube haben dich am nächsten Tag oder übernächsten Tag leer und kalt zurückgelassen? Nicht, dass Urlaub schlecht wäre, keine Sorge.

Wie viel von dem besten und leckersten Essen, das du dir gönnst, ist nur ein kurzer Genuss und dann wieder vorbei? Wie viele Partymomente des Lebens hinterlassen am Ende trotzdem nur eine Leere?

Wie viel von dem „Leben für mich“ bringt dich eigentlich ganz weit nach unten, wie den jungen Mann hier?

Die große Nüchternheit trifft ihn. Und ich glaube, wer ehrlich auf sein Leben zurückblickt, wer auch mal hinter die Kulissen der Hollywood-Sternchen und Instagram-Stars schaut, wird schnell feststellen, wie viel Leid oft dahintersteckt. Wie viele haben Selbstmord begangen, ihr Leben beendet, obwohl sie alles hatten, wonach alle Sehnsucht haben – und trotzdem keine Erfüllung fanden, weil sie vielleicht auch abgestürzt sind.

Die Umkehr und die Begegnung mit dem Vater

Der junge Mann bleibt nicht bei den Schweinen, sondern wir lesen in den Versen 17 bis 19, dass er zur Besinnung kommt. Jetzt kam er zur Besinnung. Was meint das? Es bedeutet, dass er plötzlich sein Leben realistisch betrachtet und erkannt hat, wie die Lage wirklich ist – etwas, das er zuvor nicht wahrhaben wollte.

Er sagt sich: „Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, und alle haben mehr als genug zu essen. Ich dagegen sterbe hier vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: ‚Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden. Mach mich zu einem deiner Tagelöhner.‘“

An dieser Stelle erkennt der junge Mann, was ihm wirklich wichtig ist. Er sieht ein, dass das, was er sich als größte Erfüllung erhofft hatte, ihn bei den Schweinen hat landen lassen. Nun betrachtet er sein Leben realistisch und erkennt, dass er bei seinem Vater viel mehr gehabt hatte, als er jetzt besitzt. Das Leben, das er genießen wollte und in dem er Erfüllung suchte, hat ihn leer zurückgelassen.

Er sieht, dass selbst die Knechte seines Vaters, also die Angestellten, ein besseres Leben führen als er. Respekt für den jungen Mann: Er hat den Mut, umzukehren. Das erfordert Mut, denn es ist ein Eingeständnis, sich selbst zu sagen, dass man falsch gelebt hat und in die falsche Richtung unterwegs war. Er erkennt, dass er gegen seinen Vater und damit auch gegen Gott rebelliert hat. Offenbar war ihm klar, dass sein Verhalten, das Erbe durchzusetzen, eine Rebellion gegen den Vater war, und er bekennt dies.

Hast du den Mut, wenn du merkst, dass dich dein Lebensweg, deine Lebensphilosophie oder deine Lebenspläne nicht erfüllen und glücklich machen, sondern dich eher leer und erschöpft zurücklassen, die Notbremse zu ziehen? Hast du den Mut, wie dieser junge Mann im wahrsten Sinne des Wortes umzukehren, also dorthin zurückzugehen, wo du hergekommen bist? Hast du den Mut, einzugestehen, dass es so nicht funktioniert?

Was erlebt der junge Mann, als er umkehrt? Man könnte erwarten, dass er ganz unten anfängt. Vielleicht denkt man, der Vater würde ihn erst einmal schlecht behandeln oder ihm nur die einfachsten Dienerarbeiten übertragen. Ehrlich gesagt würden wir jemanden wie ihn vielleicht sogar vom Hof jagen, weil er uns das Gesicht versaubeutelt hat.

Ganz anders reagiert jedoch der Vater (Lukas 15,20-24):

So machte er sich auf den Weg zu seinem Vater. Dieser sah ihn schon von weitem kommen, voller Mitleid. Er lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

Der Sohn sagte zu ihm: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden.“

Doch der Vater befahl seinen Dienern: „Schnell, holt das beste Gewand und zieht es ihm an! Steckt ihm einen Ring an den Finger und bringt ihm Sandalen! Holt das Mastkalb und schlachtet es! Wir wollen ein Fest feiern und fröhlich sein, denn mein Sohn war tot und lebt wieder, er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ Und sie begannen zu feiern.

Ich weiß, dass fast jeder von euch die Geschichte kennt und sie schon unzählige Male gehört hat. Fällt euch auf, wie sehr dieser Vater seinen Sohn liebt – den Sohn, der seine ganze Ehre beschmutzt hat, der sich komplett gegen ihn gestellt hat? Der Vater läuft ihm entgegen. Das mag für uns heute alltäglich klingen, aber in der damaligen Zeit war es ungewöhnlich, dass ein Familienoberhaupt rannte. Denn das bedeutete, dass er seine Kleidung hochbinden musste, um überhaupt laufen zu können, was damals kaum üblich war.

Er rennt – warum? Weil er seinen Sohn liebt. Nicht, weil der Sohn sich schon entschuldigt hat – das kommt erst danach. Er rennt, weil er seinen Sohn sieht, der nach Hause zurückkehrt. Er lässt den Sohn gar nicht erst mit seiner Entschuldigung fertigwerden, sondern macht von Anfang an klar, dass er ihn wieder aufnimmt.

Der Sohn beginnt mit einer langen Rede: „Ich habe gegen dich gesündigt...“ Vielleicht wollte er weitermachen und vielleicht hoffen, dass er, wenn er lieb genug ist, wenigstens als Diener arbeiten darf.

Doch der Vater sagt: „Nein! Holt die Diener, das beste Gewand, einen Ring an den Finger und Sandalen!“

Ihr müsst wissen: Ein Ring am Finger war damals ein Zeichen von Familienzugehörigkeit und Machtautorität. Vielleicht war es sogar ein Siegelring. Sandalen hatten die Diener damals nicht; sie waren ein Zeichen von Wohlstand. Das beste Gewand trug normalerweise der Hausherr oder besondere Gäste.

Man weiß nicht genau, ob es sich um neue oder alte Kleidung des Sohnes handelt, die der Vater bewusst wieder hervorholen lässt, um ihn als Sohn des Hauses sichtbar zu machen.

Kurz gesagt: Mit allem, was der Vater tut, macht er deutlich: „Das ist mein Sohn.“ Wie Vers 24 sagt: Er war weg, aber jetzt ist er wieder mein Sohn. Er ist zurück, er ist zu Hause, und ich nehme ihn an – ohne zu zögern, ohne lange Erklärungen darüber, warum alles schiefgelaufen ist, ohne dass der Sohn zwanzig Jahre lang Bußübungen machen müsste.

Der Sohn hatte Angst, dass der Vater ihn überhaupt als Diener aufnimmt. Doch der Vater übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Der Sohn wird wieder Sohn – er geht quasi vom Tod zum Leben, wie Vers 24 sagt.

Jesus will uns hier ganz sicher einen Blick in das Herz Gottes geben: Wie Gott reagiert, wenn jemand erkennt, dass die Dinge dieser Welt ihm keine Erfüllung bringen, dass ihm nicht das Erbe des Vaters, sondern der Vater selbst fehlt. Gott läuft demjenigen entgegen, der zu ihm zurückkehrt und Sehnsucht nach ihm hat.

Wir dürfen dabei auch Johannes 1,9 im Hinterkopf behalten: Gott vergibt denen gerne, die sich ihm zuwenden. Diese Geschichte zeigt uns die Gnade Gottes. Gott kommt uns gerne entgegen. Er muss sich nicht dazu zwingen, und wir müssen ihn nicht überreden. Er wartet auf jeden von uns und liebt uns sehr.

Die wahre Festfreude beim Vater

Was der Sohn jetzt erlebt, ist eine totale Ironie der Geschichte. Der Sohn, der ausgezogen war, um Spaß, Erfüllung und Party zu finden, erlebt die größte Feier bei seinem Vater zu Hause – an dem Ort, von dem er dachte, dass dort die größte Spaßbremse herrscht.

An diesem Ort, an dem er niemals Glück und Erfüllung vermutet hatte, erlebt er echte Festfreude und die Liebe seines Vaters.

Wisst ihr, warum ich glaube, dass diese Feier für ihn so besonders war? Anders als bei allen anderen Feiern lag der Sinn für ihn nicht im Fest selbst, nicht im Mastkalb oder in der besonderen Kleidung. Ich denke, dass er die ganze Feier – die damals wahrscheinlich ein paar Tage dauerte – jede Minute einfach nur da saß und staunte, wie sehr ihn sein Vater liebt.

Ich bin überzeugt, dass genau diese Liebe sein ganzes Empfinden in diesem Moment geprägt hat. Weil er in allem an dieser Feier die Liebe seines Vaters gesehen hat, genießt er sie wie nichts anderes. Er findet beim Vater genau das, was er weit weg von ihm gesucht hatte: echte Freude und echtes Glück.

Er weiß jetzt erst wirklich, was es bedeutet zu feiern – da bin ich überzeugt – und zu genießen.

Christentum, Glaube und Gott stehen in unserer Gesellschaft und oft auch in unserem Denken und in unseren Gemeinden nicht gerade hoch im Kurs, wenn es darum geht, ein schönes Leben zu finden. Vielleicht ist das ähnlich wie beim Sohn, der anfangs auch nicht daran glaubte, dass der Vater und seine Familie ihm Erfüllung und Freude bringen könnten.

Ich kann mir gut vorstellen, dass du mit Jesus vielleicht auch nicht immer Glück und Erfüllung verbindest. Aber Jesus will mit dem Gleichnis deutlich machen, wie ganz anders die Realität ist.

Erst wenn wir zu Gott, unserem Schöpfer, umkehren und wirklich wieder in einer Beziehung mit ihm sind, finden wir wahre Freude und Erfüllung. Dort ist der wahre Genuss zu finden – nicht in den schönen Dingen, die Gott uns vielleicht schenkt.

Ja, das Erbe des Sohnes kam vom Vater, und vieles Gute in dieser Welt kommt von Gott. Aber wenn wir die Dinge um ihrer selbst willen genießen, werden wir sie ironischerweise nicht wirklich genießen. Wir genießen sie erst, wenn wir den Geber aller Gaben genießen.

Wer heimkehrt ins Haus des Vaters, wird genau das erleben: tiefe Festfreude.

Hier wird erklärt, was ein paar Verse zuvor in Lukas 15,7 beschrieben ist: Was im Himmel passiert, wenn jemand umkehrt und nach Hause zum Vater zurückkehrt.

Ich sage es mal provokant: Party im Himmel, Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut – und zwar mehr als über 99 Gerechte. Welche Provokation! Oder?

Da sind wir oft sehr locker. Geht das denn? Ist das gerecht, was der Vater hier tut? So einem Lebemann das zugestehen, ihm so begegnen?

Und das bringt uns zum zweiten Teil der Geschichte.

Der ältere Bruder und seine Herausforderung

Weil da ist noch ein anderer, der gerne ignoriert wird. Und um den geht es eigentlich, glaube ich. Da ist nämlich einer, der ein Problem damit hat.

 Lukas 15,25-32: Der ältere Sohn war auf dem Feld gewesen. Als er jetzt zurückkam, hörte er schon von Weitem den Lärm von Musik und Tanz. Er rief einen Knecht und erkundigte sich, was das zu bedeuten habe. „Dein Bruder ist zurückgekommen“, lautete die Antwort, „und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn wohlbehalten wieder hat.“

Der ältere Bruder wurde zornig und wollte nicht ins Haus hineingehen. Da kam sein Vater heraus und redete ihm gut zu. Aber er hielt seinem Vater vor: „So viele Jahre diene ich dir jetzt schon, habe mich nie deinen Anordnungen widersetzt, und doch hast du mir nie auch nur einen Ziegenbock gegeben, sodass ich mit meinen Freunden hätte feiern können. Nun kommt dieser Mensch da zurück, dein Sohn, der dein Vermögen mit Huren durchgebracht hat, und du lässt das Mastkalb für ihn schlachten.“

„Kind“, sagte der Vater zu ihm, „du bist immer bei mir. Und alles, was mir gehört, gehört auch dir. Aber jetzt mussten wir doch feiern und uns freuen, denn dieser hier, dein Bruder, war tot, und nun lebt er wieder; er war verloren, und nun ist er wiedergefunden.“

Du denkst ja vielleicht, so ein Pfosten, der hätte sich doch einfach mitfreuen und feiern können. So lesen wir ja da schnell drüber hinweg, weil wir ja nichts damit zu tun haben, dass der jüngere Sohn als Sohn wieder eingesetzt wird. Das bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach, dass er auch als Erbe wieder eingesetzt wurde. Und hier sieht jemand seine eigenen Moneten davonlaufen, hier sieht jemand große Ungerechtigkeit. Und wisst ihr was? Ich kann ihn verstehen, ich kann ihn verstehen.

Was soll das bitte? Der, der buckelt und ackert und macht, ist am Schluss der Gestrafte, und der Lebemann, der alles in Saus und Braus verprasst hat, der bekommt hier eine Feier bis zum Gehtnichtmehr. Das ist ja genau das, was er dem Vater vorwirft. Und er ist zornig und fordert den Vater heraus. Auch das andere Kultur damals, dass der Sohn den Vater herausfordert, dass er herauskommen muss, um mit ihm zu reden, war alles andere als eine Ehrerbietung dem Vater gegenüber. Der muss sich dahin bewegen.

Für den älteren Bruder ist das unzumutbar. Wo bleibt hier die Gerechtigkeit?

Ich glaube, dass uns in dem Gleichnis von Jesus zwei ganz klassische Lebensphilosophien aufgezeigt werden, die damals gegolten haben und heute gelten. Die eine ist: Jeder hat die Freiheit, seine eigenen Ziele zu verfolgen und diese zu verwirklichen, ungeachtet von Sitten und Traditionen. Sei ganz du selbst, das wird dir die größte Erfüllung bringen. (Insta)

Die zweite Lebensphilosophie: Die Maßstäbe der Gemeinschaft und Traditionen sind über der individuellen Lebenserfüllung zu stellen, und darin wirst du deine größte Erfüllung finden. Nicht unbedingt unsere Kultur, manchmal aber unsere Gemeindekultur.

Das Spannende: Beide Wege haben das Ziel, Erfüllung zu finden in der Art, wie sie leben. Und sobald man sich von einem der beiden Wege distanziert, denkt jeder sofort, dass man den anderen gewählt hat. Da komme ich gleich noch dazu, weil ich glaube, es gibt einen anderen.

Was Jesus hier deutlich macht, ist, dass unsere Maßstäbe nicht immer passen. Vordergründig haben wir hier zwei Söhne: der eine gut und anständig, der andere der böse. So wäre doch unser Urteil, seien wir mal ehrlich. Aber Jesus lässt beide weg sein vom Herzen des Vaters. Beiden geht es nicht um den Vater selbst, beiden geht es um die Gaben des Vaters, beiden geht es eigentlich um das Erbe. Sie wollen die Moneten vom Papa, aber nicht den Papa.

Der eine auf dem Weg des Verprassens, der für uns direkt als der schlechte Weg erkennbar ist, der andere, indem er buckelt und knabbert und dient und hofft, dass der Vater ihm das doch endlich gibt. Ja, der moralisch vielleicht anständigere Weg. Aber beiden geht es um das Erbe des Vaters und nicht den Vater selbst.

Das Schockierende an dem Gleichnis ist, dass Jesus den älteren Bruder in diesem entfremdeten und distanzierten Zustand vom Vater stehen lässt und nicht beantwortet, ob er reingeht zu der Feier.

Der zweite Bruder hat nie die Festfreude und Liebe des Vaters erfahren. Warum? Weil der Vater es ihm nie gegeben hat? Nein, er sagt ihm, das war die ganze Zeit da, du hast es die ganze Zeit gehabt. Weil auch er immer nur noch mehr wahrscheinlich haben wollte, sich es verdienen wollte, aber nie es in der Liebe zum Vater gefunden hat.

Er findet die Festfreude des Vaters nicht, obwohl er so tugendhaft ist, sondern gerade weil er so tugendhaft ist, findet er sie nicht. Gerade weil er so perfekt lebt und ackert.

Die Herzen der Brüder waren gleich. Beide wollten erben auf ihrem jeweils ganz eigenen Weg. Der Reichtum und die Gaben des Vaters waren es, wovon sich beide Glück und Erfüllung erwartet haben, nicht seine Liebe und die Beziehung zu ihm.

Und das schockiert, weil es zeigt uns etwas an diesem älteren Bruder: dass wir die Gebote Gottes peinlichst genau halten können und trotzdem gegen Gott rebellieren. Du kannst eine Checkliste der zehn Gebote und pack noch ein paar dazu, überall einen Haken gesetzt haben und trotzdem gegen Gott stehen.

Vielleicht passt das zu dem Gleichnis des reichen Jünglings. Ich setze das kurz voraus, dass ihr es vielleicht im Kopf habt. Denn Jesus sagt nicht, dass er die Gebote nicht gehalten hat, ihm nicht widerspricht. Der hat vielleicht überall einen Haken gehabt, aber sein Herz war weg von Gott und gegen ihn.

Wir können Jesus und Gott aus dem Weg gehen, indem wir alle seine Gesetze perfekt halten. Wir können versuchen, uns das Erbe, die Feier und das Recht darauf selbst zu erarbeiten und es uns nicht schenken zu lassen. Und wir können dadurch Jesus aus dem Weg gehen. So wird Jesus vielleicht zu unserem Helfer, unserem Vorbild, aber eins davon kann er nie sein: unser Erlöser.

Der ältere Bruder wollte auch Kontrolle über seinen Vater, eben gerade durch Gehorsam. Ältere Brüder gehorchen Gott, um etwas dafür zu bekommen, aber nicht, um Gott selbst zu bekommen, nicht um ihm ähnlich zu werden, nicht um ihn zu lieben, nicht um ihn zu kennen und ihr ganzes Leben mit ihm zu teilen.

Und ja, so zeigt uns dieses Gleichnis diese zwei Wege: sein eigener Erlöser und Herr zu sein einmal, indem man alle Regeln bricht, und einmal, indem man alle Regeln exakt befolgt.

Es ist der Stolz und die Ichbezogenheit des älteren Bruders. Seines Herzens nicht auf die Liebe des Vaters angewiesen zu sein, sondern es verdient zu haben, dass man die Dinge bekommt, es nicht geschenkt zu bekommen.

Bist du manchmal so ein älterer Bruder?

Es geht nicht darum, dass Gebote halten schlecht wäre, im Gegenteil. Ich bin überzeugt davon, dass der jüngere Sohn dem Vater von ganzem Herzen jetzt nachgeeifert hat. Er war so begeistert von dem, wie sein Vater ist, dass er wahrscheinlich intensiv versucht hat, von ihm zu lernen.

Aber hältst du die Gebote, um von Gott etwas geschenkt zu bekommen? Erwartest du dadurch mehr Segen für dein Leben, mehr Anerkennung, mehr Erfolg? Erwartest du dadurch, in Gottes Augen besser zu sein als dein Bruder? Dient das Gebotehalten am Ende vielleicht dazu, dass du dich abgrenzen kannst von den anderen Christen um dich herum, weil du besser bist, weil du die Sache besser hinbekommst, weil du es nicht so in den Sand setzt?

Und geht es dir beim Gebotehalten mehr darum, als der moralisch Bessere dazustehen, oder liebst du Jesus und den Vater wirklich? Ist es die Liebe von ihm, um die es dir geht, die dein Leben prägt und die dich dazu bringt, nach seinen Maßstäben zu leben, weil du ihn kennengelernt hast, weil du die Liebe dieses Vaters erfahren hast und weil du überzeugt bist davon, dass es nichts Besseres gibt, als dein Leben nach ihm auszurichten?

Hast du vielleicht am Ende gar keine Freude am Halten der Gebote? Ist es letztendlich nur aus Furcht und Unterwürfigkeit? Ist ein Gehorsam reine Pflichterfüllung, oder entspringt er dieser tiefen Liebe, weil du jemanden kennengelernt hast, wo du sagst: Es gibt nichts Besseres, als so zu sein wie er, so zu werden wie er?

Und verstehst du manchmal nicht, wie Gott solche Leute wieder zu seinen Erben machen kann? Verstehst du manchmal nicht, wie Gott Leute, die viel schlechter sind in der Art und Weise, wie sie ihren Glauben leben, trotzdem segnet? Wird dein Herz von Neid aufgefressen, ohne dass du es Neid nennen würdest, gerne getarnt als religiöse Empörung, wie man denn so leben könnte, und zwar dann, wenn Gott Sündern gnädig ist?

Stehst du da wie der Pharisäer beim Beten? Natürlich nicht öffentlich, aber in deinem Herzen: „Danke, dass ich nicht so bin wie der XY.“ Du kannst dir mal rechts und links gucken und dich fragen, ob dir diese Gedanken schon durch den Kopf gegangen sind.

Aber damit will ich nicht stehen bleiben, sondern wir wollen noch einen Blick auf den Gastgeber werfen, weil beide dieser Brüder vom Vater geliebt sind, gleichermassen von tiefstem Herzen, und er sich nichts anderes sehnlicher wünscht, als dass beide zu ihm an die Festtafel kommen.

Beide sind zum Erben ernannt, er möchte beiden Festfreude schenken, er liebt sie beide, und er wünscht sich nicht mehr, als dass beide zu ihm kommen.

Das Evangelium ruft den jüngeren Bruder aus seiner Sünde und seinem Luxusleben heraus, aus dem Dreck, in dem er steht. Aber es ruft genauso den älteren Bruder aus seiner Ichbezogenheit und seinem Stolz heraus.

Und dabei geht es nicht darum – und ich glaube, das ist manchmal falsch – das im Zentrum von Umkehr steht das Abarbeiten von deiner Verfehlungsliste. Sondern es geht darum, zu kapitulieren und die Sünde der Sünden in unserem Leben in Ordnung zu bringen, nämlich die Missachtung, Missbilligung und Rebellion unseres Vaters, dessen, dass er sich ausstreckt, uns mit tiefster Liebe zu lieben, und wir ihm ins Gesicht schlagen und weglaufen von ihm und nur sein Erbe haben wollen.

Der Vater will mit beiden eine tiefe Liebesbeziehung führen, er will sie ihnen schenken. Und der Vater geht heute heraus, ob du ein jüngerer oder älterer Bruder bist, und er lädt dich ein, an diese Tafel zu kommen, er lädt dich ein, da mitzukommen.

Das ist das, wo Jesus das Gleichnis beendet: mit der Einladung des Vaters an den älteren Bruder, doch mit reinzukommen, sich mitzufreuen dort, wo jemand umkehrt zum Vater, wo jemand die Liebe des Vaters wieder ganz neu erfährt.

Vielleicht fühlst du dich angegriffen oder es fällt dir schwer, das zuzugeben, dass du auf einer dieser Seiten bist. Dann will ich dir Mut machen, ehrlich zu sein und dich einladen zu lassen, zu diesem Festmahl reinzukommen mit deinem Bruder, weil der Vater euch liebt.

Die Rolle des älteren Bruders und das Beispiel Jesu

Was wäre die eigentliche Aufgabe des älteren Bruders in so einer Situation gewesen? Es wäre seine Aufgabe gewesen, nach dem jüngeren Bruder zu sehen, herauszufinden, wo er gelandet ist, und ihn nach Hause zu bringen. Als älterer Bruder hätte er sich auf den Weg machen und sich um ihn kümmern müssen – in der damaligen Kultur viel mehr als bei uns heute. Selbst heute empfinden wir es als eine Verantwortung unter Geschwistern, sich um den anderen zu kümmern, wenn einer in Not ist.

Das Besondere ist: Wir haben genau diesen älteren Bruder, denn Jesus Christus hat genau das getan. Er hat den Vater verlassen, sich auf den Weg gemacht und jeden seiner jüngeren Brüder gesucht, gefunden und nach Hause gebracht.

In 2. Korinther 8,9 heißt es: Ihr wisst ja, woran sich die Gnade von Jesus Christus, unserem Herrn, gezeigt hat. Er, der reich war, wurde arm, damit ihr durch seine Armut reich werdet. Jesus hat alles verlassen, um dich reich zu machen. Er ist der wahre ältere Bruder, der dem Herzen des Vaters entspricht – einem tief liebenden Herzen. Er handelt wie der Vater, der alles stehen und liegen lässt, um seine Geschwister nach Hause zu bringen.

Jesus teilt sein Erbe mit dir und mir, um uns an die Festtafel des Vaters zu bringen. So können du und ich wieder in unsere Stellung als Kinder Gottes eingesetzt werden. Seit zweitausend Jahren ist Jesus in dieser Welt unterwegs, um seine Geschwister zum Vater nach Hause zu bringen. Vielleicht steht er gerade heute vor deiner Tür und lädt dich ein, nach Hause zu kommen.

Was für ein älterer Bruder ist er – ganz anders als der, der uns in dem Gleichnis gezeigt wird! Es muss der Preis bezahlt werden, damit der jüngere Sohn wieder Sohn und Erbe sein kann. Der ältere Bruder musste von seinem Erbe abtreten, und genau das tut Jesus für dich. Er hat alles aufgegeben, damit du und ich wieder an der Festtafel Platz nehmen können. Er hat den Weg freigemacht.

Solange wir nicht in dieser Liebe und im Werk des Bruders, der von der Vaterliebe geprägt ist, Ruhe finden, werden wir immer älterer oder jüngerer Bruder bleiben. Wir werden unseren Frieden, unsere Freude und Erfüllung entweder im Luxusleben dieser Welt oder im Moralleben dieser Welt suchen. Dabei rennen wir wie in einem Hamsterrad und finden nie echte Erfüllung. Wir kommen nie zur Ruhe.

Doch in dem Werk des einen älteren Bruders, der dich einlädt, nach Hause zu kommen, liegt wahre Ruhe. Wenn du auf der Suche nach Freude, Glück und Erfüllung im Leben bist und dafür schon alles Mögliche ausprobiert hast, dann lass dich einladen, alles dort zu finden, wo du es nie erwartet hättest.

Es geht nicht darum, dass alles schlecht ist, was an guten Gaben in dieser Welt vorhanden ist. Aber sind wir als Christen nicht manchmal so unterwegs, dass wir meinen, unser Genuss am Wochenende finde am Sonntagnachmittag statt – und nicht in der Zeit, die wir mit Gott verbringen? Oft wird die Zeit mit Gott eher abgehandelt, wie beim älteren Bruder, in der Hoffnung, danach mehr geschenkt zu bekommen.

Vielleicht musst du ganz bewusst umkehren – zu dem Bankettmeister in Perfektion, zum Gastgeber schlechthin, zum Vater, der dich liebt. Denn bei ihm findest du Erfüllung. Vielleicht solltest du viel mehr Erwartungshaltung haben, bei Gott wirklich Erfüllung und Freude zu finden – eine Festfreude, die alle deine Erwartungen übersteigt.

Kehr um, wenn du falsch unterwegs bist, und kehre zurück in diese liebenden Vaterarme. Und auch wenn du alles richtig machst, aber eigentlich nur auf deine Vorteile aus bist, lass dich einladen von dem Vater, der dir einfach seine Liebe zeigen will. Er wünscht sich nichts mehr, als dass du nach Hause kommst und Ruhe findest.

Gottes Einladung zur ewigen Feier

Jesus wird manchmal dafür kritisiert, dass er ständig am Essen und Feiern mit den Leuten ist. In der Bibel finden wir jedoch sehr viele Hinweise auf das Feiern. Jesaja beschreibt es, ebenso Matthäus. Dort wird erzählt, dass Abraham einmal mit einer großen Familie am Festmahl Gottes zu Tisch liegen wird.

Auch die Offenbarung richtet alle Blicke auf eine große Hochzeit hin. Gott möchte der perfekte Gastgeber des perfekten Festes sein, und du bist dazu eingeladen. Das Einzige, was du tun musst, ist, die Einladung anzunehmen und zu ihm zu gehen.

Ich weiß nicht, wie du dir den Himmel vorstellst. Manche denken an schwebende Menschen auf einer Wolke. Wenn du aber an eine Hochzeitsfeier denkst, liegst du wahrscheinlich gar nicht so falsch. Eine nie endende Feier.

Die Hochzeit, die ich am Anfang beschrieben habe, begann damit – daran erinnere ich mich noch –, dass der Bräutigam ziemlich nervös vorne etwas länger auf seine Braut warten musste. Jesus steht heute da und wartet auf seine Braut. Er wartet darauf, dass die Feier beginnen kann, bis seine Braut kommt – du!

Du bist seine Braut. Du bist eingeladen zu dieser Feier schlechthin. Du bist eingeladen, an seiner Festtafel Erfüllung, Freude, Frieden und Ruhe zu finden, die du an keinem anderen Ort finden wirst. Komm an die Tafel! Amen!