tugendsam
Tugend, tugendsam.
1) Tugend bezeichnet ursprünglich die Tauglichkeit, Tüchtigkeit einer Person oder Sache zur Erfüllung ihrer Aufgabe. Das entsprechende lat. Wort (virtus) bedeutet: Mannhaftigkeit, das griechische: hervorragende Trefflichkeit, wie sie auch von andern anerkannt ist, daher auch: Ehre, Ansehen. In der philosophischen Sittenlehre ist dann der Begriff weiter entwickelt worden zu seiner jetzt geläufigen Bedeutung: die Sittlichkeit als eine vom Willen aufgenommene und in fortgehender Bewährung herrschend gewordene Macht. Aber gerade in dieser Bedeutung, so sehr sie zu gewissen Zeiten die christliche Sittenlehre beherrscht hat, findet sich das Wort in der Schrift kaum. —
2) Das Alte Testament braucht eine Verbindung mit dem Worte für Kraft, Leistungsfähigkeit (chajil). So bei Weinstöcken, Joel 2,22, „die wohl tragen“ (Luther), von Menschen im Sinne der Berufstüchtigkeit: 1 Mo. 47,6 „tüchtig“, 2 Mo. 18,21; 1 Kö. 1,52: „redlich“, Spr. 12,4; 31,10. 29; Ru. 3,11 „tugendhaft“, überall von der Frau. In allen diesen Stellen ist der Begriff nicht auf das Sittliche allein beschränkt. —
3) In den bereits von griechischem Geist beeinflußten Apokrhphen kommt Tugend, tugendsam vor Wsh. 4,1 (Luther: fromm), 5,14, bes. 8,7, wo, unter stoischem Einfluß, die vier Kardinaltugenden aufgezählt sind: Mässigung, Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit. Auch die Bücher der Makkabäer weisen diesen Gebrauch des Wortes auf. —
4) Im Neuen Testament braucht es Paulus nur einmal Phi. 4,8 = das Rühmliche. Sonst nur noch in den Petrusbriefen. 1 Pe. 2,9 von Gott: seine Tugenden sollen die Christen verkündigen, nach dem Sprachgebrauch der LXX = „Herrlichkeit, Ruhm“. Ebenfalls von Gott: 2 Petr. 1,3: Herrlichkeit und Tugend = die sich zu unserem Heil wirksam erweisendc Herrlichkeit (Bengel: zur Herrlichkeit gehören die sog. natüirlichen Eigenschaften Gottes, zur Tugend die sog. sittlichen). Endlich 2 Petr. 1,5 vom Menschen: reichet dar in eurem Glauben Tugend. Nicht einmal hier hat es die heute gültige umfassende Bedeutung: aus der Wurzel des Glaubens entspringt einerseits das richtige praktischsittliche Verhalten wie andrerseits die richtige sittliche Beurteilung (Erkenntnis).