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Epheserbrief

Epheserbrief. Während seiner Gefangenschaft sandte Paulus den Tychikus nach Kleinasien, nicht einzig nach Ephesus, sondern auch zu den im Binnenland gelegenen Gemeinden, mit dem Auftrag, die Christenheit über die Lage des Apostels zu unterrichten. Von den Briefen, die Paulus damals gleichzeitig schrieb, sind uns drei erhalten, der an die Kolosser, an Philemon und der, der die Überschrist „an die Epheser“ besitzt, Eph. 6,21. 22; Kol. 4,7-9. Da Paulus keine Nachrichten über seine Lage in diese Briefe aufgenommen hat, erfahren wir nicht deutlich, ob er Tychikus von Cäsarea oder von Rom aus nach Kleinasten sandte. Da er aber mit Zuversicht seine baldige Befreiung erwartete, Philem. 22, und an seinem Apostelwerk nicht vollständig gehindert war, wie seine Begegnung mit Onesimus zeigt, Philem. 10, fallen die Briefe vermutlich in die römische Gefangenschaft, in jene beiden Jahre, mit denen der Bericht des Lukas schließt, Apg. 28,30. Im Epheserbrief zeigt er den aus den Griechen gesammelten Gemeinden, wie herrlich die göttliche Gabe sei, die sie durch ihren Anteil an der Kirche besitzen. Zuerst beschreibt er in einem anbetenden Wort den großen Gang der göttlichen Gnade, die im Christus die Gemeinde mit ewiger Liebe erwählt hat, sie darum durch seinen Tod mit Gott versöhnte und durch seine neue Offenbarung vollenden wird, woran jeder Glaubende durch seine Berufung den gesicherten Anteil erhalten hat, 1,3-14. Darum begehrt die Fürbitte des Paulus für die Gemeinde die volle Einsicht in die Herrlichkeit ihres erhöhten Herrn, der durch seine Erhebung über alle Gewalten die Vollmacht erhalten hat, ihr die Fülle der göttlichen Gaben zu gewähren, 1,15-23. Denen, die früher Heiden gewesen sind, zeigt nun Paulus, wie groß die ihnen geschenkte Gnade sei, da sie die Schuld und Not der Sünde von ihnen nahm, 2,1-10, und die Trennung, die sie bisher von der für Gott geheiligten Gemeinde schied, durch die versöhnende Kraft des Todes Jesu beseitigte, 2,11-22. Daraus ergibt sich auch, wie dankbar sie den Dienst des Paulus zu schätzen haben, da er bei der Berufung der Heiden Gottes auserwähltes Werkzeug gewesen ist, 3,1-13. Darum verlangt das Gebet des Paulus für die Gemeinde nicht nach neuen Offenbarungen und Gnadengaben, sondern nach der vollen Erkenntnis dessen, was ihr durch die Gemeinschaft mit Christus verliehen worden ist, 3,14-21. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich die Regeln, nach denen die Christenheit ihr Verhalten zu ordnen hat. Da sie im Christus zu einer in Gott begründeten und vollständigen Gemeinschaft verbunden ist, hat sie die Eintracht im Glauben und in der Erkenntnis zu suchen und zu bewahren, 4,1 bis 16. Darum hat sie sich von allem Sündlichen zu reinigen; es wird ihr darum gezeigt, was sie als sündlich aus ihrem Leben zu entfernen hat, damit sie den neuen Menschen in ihrem Wandel offenbare, 4,17 bis 5,21. Daraus ergeben sich auch die Regeln, nach denen die Glaubenden ihr Haus verwalten und die Gatten miteinander, die Eltern mit den Kindern, die Herren mit dem Gesinde zusammen leben, 5,22-6,9. Mit der heidnischen Welt steht die Kirche freilich in einem heißen Kampf; aber sie ist auch mit den Waffen versehen, durch die sie den Sieg gewinnt, 6,10-20. Am Inhalt des Briefes ist auffallend, daß er uns keinen Einblick in die besonderen Zustände der ephesinischen Gemeinde verschafft, obwohl Paulus mit ihr durch seine lange und fruchtbare Arbeit in Ephesus besonders verbunden war. So wie hier konnte Paulus an jede heidenchristliche Gemeinde schreiben, wenn er sie in der dankbaren, gläubigen Schätzung der Verheißung Jesu und in der vollständigen, entschlossenen Abwehr alles Bösen bestärken wollte. Auch von der Überlieferung der Kirche wird nicht einstimmig gesagt, daß der Brief an die Epheser gerichtet war. Zwar hat er seit seiner Einordnung in die Paulinische Sammlung immer den Titel: „An die Epheser“ gehabt; dagegen fanden sich im ersten Vers des Briefs in vielen Exemplaren die Worte: „in Ephesus“ nicht, sondern sie ließen dort eine Lücke offen, ohne anzugeben, wo die Empfänger des Briefs gewohnt hätten. Da Paulus im Kolosserbrief sagt, er habe auch an die benachbarte Gemeinde von Laodizea geschrieben, Kol. 4,16, wurde schon im zweiten Jahrhundert vermutet, unser Epheserbrief sei der dort erwähnte Brief, wodurch erklärt wäre, weshalb er keine persönlich an die Gemeinde gerichteten Worte enthält, da Paulus nicht selbst in Laodizea gepredigt hat. Unerklärlich bleibt dagegen für diese Annahme, weshalb der Brief später eine veränderte Aufschrift erhalten haben soll. Vielleicht ist die andere Erwägung richtiger, daß Paulus Tychikus leicht den Auftrag geben konnte, diesen Brief allen Gemeinden zu übergeben, die er zu besuchen hatte. So würde der Titel des Briefs erklärt, da Ephesus die wichtigste Gemeinde an der Westküste Kleinasiens war, der Tychikus seine Botschaft zuerst zu überbringen hatte, und zugleich verständlich gemacht, wie die Überlieferung über den Bestimmungsort des Briefs unsicher werden konnte, da er von Anfang an nicht nur in Ephesus, sondern auch in andern Gemeinden als an sie gerichtet überliefert war. Daraus, daß der Brief nicht nur in seiner Anlage, sondern oft auch in den einzelnen Sätzen mit dem Kolosserbrief übereinstimmt, läßt sich keine Einrede gegen seine Herkunft von Paulus ableiten. Dadurch wird nur bestätigt, daß diese beiden Briefe sofort nacheinander geschrieben sind, und mit der Übereinstimmung verbindet sich im Epheserbrief auch ein neuer, reicher Inhalt, der nicht matter und schwächer ist, als das, was er mit dem Kolosserbrief gemeinsam hat.

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