Alter
Lebensalter generell
Dasselbe währt nach Ps. 90,10 gewöhnlich nicht länger als 70 oder 80 Jahre. Fälle von höherem Alter sind auch in der Erzählung der Bibel wie heutzutage selten, zum Beispiel der Hohepriester Eli erreichte 98 (1 Sa. 4,15), der Hohepriester Jojada 130 Jahre (2 Chr. 24,15).
Eine Ausnahme machen die Urväter der Menschheit von Adam bis Noah (1 Mo. 5) und die Stammväter des Volks Israel von Noah bis Abraham (1 Mo. 11). Sie erreichten ein viel höheres Alter, das von über 900 Jahren auf ungefähr 200 Jahre sinkt und mit den 175 Jahren Abrahams, den 180 Jahren Isaaks, den 147 Jahren Jakobs allmählich in das gewöhnliche Maß der Jetztzeit übergeht, so dass Jakob zu Pharao sagt: Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens und langet nicht an die Zeit meiner Väter in ihrer Wallfahrt (1 Mo. 47,9). Nur Moses 120 Jahre (5 Mo. 34,7) und Josuas 110 Jahre (Jos. 24,29) sind noch ein Nachklang jener außergewöhnlich hohen Zahlen.
Es ist an sich durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die noch unverdorbene Kraft der ersten Menschengeschlechter ihnen eine höhere Lebensdauer gewährte als die spätere Menschheit sie hatte und noch hat. Und mag es auch schwer sein, für die einzelnen Zahlen aus so alter Zeit eine getreue geschichtl. Überlieferung anzunehmen, so spiegeln sie doch die Tatsache wieder, wie das Erbe paradiesischer Urkraft sich allmählich verzehrte.
Ein ähnlich hohes Alter wird Jes. 65,20 für die Zukunft verheißen, wenn der Tod eines Hundert-jährigen für den Tod eines Kindes oder eines durch besonderen Fluch frühzeitig hingerafften Menschen gelten soll. Bildlich bezeichnet „das Maß des vollkommenen Alter Christi“ (Eph. 4,13) die geistliche Reife, die jeder vollkommene Christ erreichen soll und für welche das Vorbild Christi der Maßstab ist.
Das höhere Lebensalter (Greisenalter)
Als Gabe Gottes
Es ist eine im Alten Testament oft ausgesprochene Wahrheit, dass ein hohes Alter eine Gnadengabe Gottes und die Belohnung frommer Gesinnung sei; vgl. die Verheißung des vierten Gebots; Spr. 3,2: Die Gebote Gottes werden dir langes Leben bringen; Ps. 21,5: Der König bittet dich um Leben (vgl. 1 Kö. 3,14); Hi. 5,26: Du wirst im Alter zu Grabe kommen, wie Garben eingeführt werden zu seiner Zeit. Daher einerseits die Drohung 1 Sa. 2,32: es soll kein Alter sein in deinem Hause; andererseits die Verheißung Sach. 8,4: Es sollen fürder wohnen in den Gassen zu Jerusalem alte Männer und Weiber usw.
Doch wird diese Wahrheit schon im Alten Testament eingeschränkt durch die Beobachtung, dass oft auch die Gottlosen „alt werden bei guten Tagen“ (Hi. 21,13). Und der Fromme schwingt sich auf zu dem Glauben: Deine Güte ist besser denn Leben (Ps. 63,4).
Im Neuen Testament tritt die Hoffnung auf ein hohes Lebensalter ganz zurück gegen die Hoffnung des ewigen Lebens. Dort ist ja Christus selbst nach kurzem Erdenlauf mit Preis und Ehre gekrönt worden (Hbr. 2,9). Doch wird die Sehnsucht eines Paulus, abzuscheiden, durch die Erwägung, noch mehr auf Erden wirken zu können, im Gleichgewicht gehalten (Phi. 1,21-24). Und das Beispiel des Apostelgreises Johannes zeigt, dass man auch auf neutestamentlichem Boden in der langen Dauer seines Lebens, das man missverständlicherweise sogar vom allgemeinen Todeslos befreit glaubte, eine hohe Gnadenauszeichnung erblickte (Joh. 21,22. 23).
Als Würde
Seine Würde besteht vor allem in dem Schatz der Erfahrung, den es zu sammeln erlaubt, und in der daraus geschöpften Weisheit. Sir. 25,8: der Alten Krone ist Erfahrung. Hi. 12,12: Bei den Großvätern ist die Weisheit und der Verstand bei den Alten.
Wo aber das Alter den Alleinbesitz der Weisheit in anmaßender Weise für sich in Anspruch nimmt, wie bei den Freunden Hiobs (Hi. 15,9. 10), da tritt mit Recht ein junger Elihu mit Berufung auf Gottes Geist, der allein Weisheit gibt, ihm entgegen (Hi. 32,6-10). Oder es kommt das scharfe Wort des Predigers zur Geltung: Ein arm Kind, das weise ist, ist besser, denn ein alter König, der ein Narr ist (4,13).
Insbesondere hat sich Gott mit seinen Gnadengaben nie an das Alter gebunden, sondern nach freier Wahl einen Samuel (1 Sa. 3), einen Salomo (1 Kö. 3,7), einen Jeremia (Jer. 1,6) in jungen Jahren schon berufen und bevorzugt. Eine sicherere Würde als die Weisheit verleiht dem Alter ein bewährter Charakter, eine erprobte Frömmigkeit; Spr. 16,31: Graue Haare sind eine Krone der Ehren, die auf dem Wege der Gerechtigkeit gefunden wird; Tit. 2,2 f.: den Alten sage, dass sie nüchtern seien, ehrbar, züchtig, gesund im Glauben, in der Liebe, in der Geduld; vgl. Zacharias und Elisabeth (Luk. 1,6. 7), Simeon und Hanna (Luk. 2,25 f. 36 f.)
Übrigens schärft die Bibel dem Alter gegenüber unbedingt Ehrfurcht ein, eben weil das Alter eine Gottesgabe ist: 3 Mo. 19,32, auch sind graue Haare an sich etwas Ehrwürdiges und der Alten Schmuck (Spr. 20,29). Und darum ist es ein besonderer Frevel, „die grauen Haare eines Greises mit Herzeleid in die Grube zu bringen“ (1 Mo. 42,38). Und Sirach (8,7) mahnt: Verachte das Alter nicht, denn wir gedenken auch alt zu werden. Auch der erste Timotheusbrief stellt es als Regel pastoraler Weisheit auf: Einen Alten schilt nicht (5,1).
Als Bürde
Die Bürde des Alter besteht in der Abnahme der geistigen und leiblichen Kräfte des Menschen. Der Prediger enthält eine eingehende Beschreibung dieser Beschwerden in bildlicher Einkleidung (12,1-6): Die Stimmung wird trüb und düster (Vers 2); die Glieder werden zittrig, der Zähne werden wenig, die Augen dunkel (Vers 3 vgl. 1 Mo. 27,1; 48,10; 1 Sa. 3,2); die Stimme wird leise, der Schlaf kurz, das Gehör nimmt ab (Vers 4); Bergansteigen, Gehen überhaupt wird mühsam, das Haupt wird weiß, die Gestalt gebückt und alle Lust vergeht (Vers 5 vgl. 2 Sa. 19,36).
Wie unter dem Einfluss dieser Schwäche auch der Charakter im Alter Not leiden kann, zeigt das Verhalten Elis und Samuels gegen ihre Söhne (1 Sa. 2,22 ff.; 8,1 ff.), die Nachgiebigkeit Salomos gegen seine Weiber (1 Kö. 11,4). Aber es kommt auch der Bitte des Frommen: Verwirf mich nicht in meinem Alter, verlass mich nicht, wenn ich schwach werde (Ps. 71,9), die Verheißung Gottes entgegen: Ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet (Jes. 46,4).
So bezeugt es auch die Erfahrung bei den Frommen, Ps. 92,15: wenn sie gleich alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein; Jes. 40,31: die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft usw.; vgl. Ps. 103,5: du wirst wieder jung wie ein Adler; und dazu das Beispiel Moses (5 Mo. 34,7) und Josuas (Jos. 14,11). Als irdische Erquickung in den Beschwerden des Alter rühmt die Bibel das Glück in Kindern und Kindeskindern (Spr. 17,6; Ps. 128,6; 1 Mo. 50,23; Hi. 42,16). Während aber im Alten Testament der Sehnsucht Ziel erreicht ist mit dem Zeugnis: er starb alt und lebenssatt (1 Mo. 25,8; 35,29; Hi. 42,17), ist des Christen letzter Wunsch für seine alten Tage der Schwanengesang Simeons: Herr nun lässest du deinen Diener im Frieden fahren usw. (Luk. 2,29).